Optimum 1
wissen.
Eliza schüttelte den Kopf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Sag bloß, du hast erst gerade daran gedacht? Ich dachte, du hast alles so gut geplant?«
»Ich dachte, der Hauptschlüssel würde auch hier passen«, gab Rica etwas ärgerlich zurück. »Aber Frau Jansen muss ein eigenes Schloss haben. Warum auch immer. Vermutlich hat sie wirklich mehr zu verbergen, als wir dachten.« Wütend starrte sie die Tür an.
»Wir könnten die Tür eintreten«, meinte Eliza. »Aber ich schätze, das ist wohl zu auffällig.« Sie sah sich im Gang um, trat schließlich zögerlich an einen Blumentopf heran, der auf einem kleinen Tischchen neben der Tür stand, und hob ihn hoch. Nichts. Nur ein Blumenuntersetzer. Natürlich. Das war auch ein viel zu einfaches Versteck. Eliza stellte den Topf zurück und streckte sich, um oben auf den Türrahmen zu greifen. Doch dort war offensichtlich auch nichts zu finden. Sie drehte sich zu Rica um und zuckte mit den Schultern.
»Okay«, flüsterte Rica. »Dann muss ich wohl beim Hausmeister einbrechen.« Sie verspürte ein wildes Kribbeln im Bauch, als sie die Worte aussprach.
»Spinnst du? Warum das denn?« Elizas Gesicht sah im Dämmerlicht des Flurs ungewöhnlich blass aus, und ihre Augen waren riesig und dunkel.
»Der Hausmeister hat bestimmt einen Schlüssel. In seinem Büro hängt ein ganzes Brett voll von denen. Und mit Sicherheit passt auf seine Tür der Generalschlüssel.« Sie versuchte es mit einem zuversichtlichem Lächeln. Warum Eliza noch nervöser machen, als diese ohnehin schon war. »Es geht nicht anders – ich laufe eben hinunter und hole ihn. Du kannst ja so lange hier warten, wenn du magst. Es dauert nicht lange.«
»Der Hausmeister …« Eliza schluckte. »Er hat eine Kamera in seinem Büro.«
»Dann muss ich mich eben so stellen, dass mich die Kamera nicht erkennen kann. Das klappt schon.« Sie bemühte sich immer noch um einen fröhlichen Tonfall, aber sie sah auch, dass Eliza sie durchschaute. Sie musste schnell handeln, bevor ihre Freundin endgültig den Mut verlor. »Gleich wieder da«, sagte sie schnell und begann, die Stufen hinunterzulaufen.
* * *
Eliza kämpfte das Bedürfnis nieder, Rica zu folgen oder – noch besser – aus der Schule zu fliehen, und kehrte zu Frau Jansens Tür zurück. Nach einem kurzen Zögern ließ sie sich auf der Sitzbank davor nieder, lehnte sich zurück gegen die Wand und machte die Augen zu. So konnte sie viel besser hören, was um sie herum vorging.
Definitiv keine gute Idee, denn kaum hatte Eliza die Augen geschlossen, schienen die seltsamsten Geräusche von überall her auf sie einzustürmen. Irgendwo rechts von ihr knarrte Holz so laut, dass sie einen Augenblick lang dachte, Schritte zu vernehmen, und rasch in diese Richtung sah. Doch dort lag nur der dunkle Flur. Als sie die Augen abermals schloss und sich selbst zur Ruhe rief, konnte sie gleich darauf den Wind hören, der um das Schulgebäude fegte und das alte Fensterglas zum Klirren brachte. Es klang wie ein Atemhauch voller Eiszapfen. Deine Fantasie geht mit dir durch , rief sie sich zurecht. Du bist doch nicht in irgendeiner magischen Welt, das hier ist das ganz normale Schulgebäude. Hier passiert nichts Ungewöhnliches.
Ach ja? Und was war dann mit diesen Dingen, die sie tun konnte? Waren das etwa ganz normale Fähigkeiten? Nicht dass sie jemals davon gehört hätte. Bis jetzt hatte sie ja immer noch versucht, ihre seltsamen Erlebnisse einfach abzutun. Aber das vorhin war schon ziemlich unheimlich gewesen. Sie hatte sich beim Anblick des nächtlichen Schulhauses vor Angst beinah in die Hose gemacht. Und plötzlich hatte auch Rica Angst bekommen. Rica, die vor nichts und niemandem Angst zu haben schien. Eliza hatte das Gesicht ihrer Freundin noch nie so blass gesehen wie gerade eben. Und das richtig Unheimliche war, dass Eliza ihre eigene Angst in Ricas Gesicht gespiegelt gesehen hatte. Fast so, als habe sie sich kurzfristig in zwei Körpern gleichzeitig befunden. Als sie sich bemüht hatte, wieder ruhig zu atmen, war scheinbar auch die Angst aus Ricas Zügen gewichen.
Ich kann Leute beeinflussen, hatte Torben in Frau Jansens Aufnahme gesagt. Eliza wusste genau, was er meinte. Es war ein Gedanke, der ihr selbst auch schon oft gekommen war. Und heute Abend schien sich der Verdacht bestätigt zu haben. Haben einige von uns tatsächlich übernatürliche Fähigkeiten?
Eliza schüttelte den Kopf, um die lästigen Gedanken loszuwerden. Wenn dadurch
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