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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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verschwundenen Äbtissin durchsuchen lassen – und wozu auch? Immerhin hatte er selbst sie doch gerade erst wieder auf freien Fuß gesetzt – wenn auch »nur zum Schein«, wie sich Mutter Sophia ausgedrückt hatte. Was genau es damit wieder aufsich hatte, würde die Äbtissin ihr ja bestimmt später noch erklären.
    Fürs Erste aber wünschte sich Klara nichts sehnlicher, als mit Mutter Sophia so wie in früheren, glücklichen Zeiten zusammenzusitzen und einfach über dies und das zu plaudern. Sie konnte ihre Augen jetzt kaum mehr offen halten. Nur verschwommen bekam sie mit, dass die Ruderer ihren Kahn in einen schmalen Graben lenkten, der in spitzem Winkel linker Hand vom Fluss abzweigte. Die Gegend hier kam Klara vage bekannt vor, aber sie war einfach zu müde, um sich darüber auch nur halbwegs klar zu werden. Außerdem sah eine Straße natürlich ganz anders aus, wenn man nicht auf ihr entlanglief, sondern im Graben daneben mit dem Kahn dahinkroch. Hoch ragten zu beiden Seiten die Häuser neben ihnen auf, dabei handelte es sich nur um bescheidene Bauwerke mit einem oder allenfalls zwei Stockwerken. Winzig schmale Treppen in der Böschung führten von den Grundstücken linker Hand bis zur Wasserlinie hinunter, und vor einer dieser schwindelerregend steilen Steigen hielt ihr Kahn unvermittelt an.
    Die Männer machten ihr Gefährt nicht mit einem Seil fest, sondern stemmten nur ihre Ruder gegen die schwache Strömung in den Grund. Daraufhin erhob sich die ältere der beiden Nonnen, trat auf den wacklig aussehenden Holzsteg und bückte sich zu Mutter Sophia hinab. Niemand sprach ein Wort, doch jeder Handgriff schien sorgsam eingeübt. Kurz darauf trugen die Augustinerinnen die Bahre bereits auf der schmalen Treppe zur Hintertür eines Hauses hinauf, die genau im richtigen Moment aufging. Klara stolperte benommen hinter den Nonnen her. Auf der obersten Stufe schaute sie noch einmal zurück – der Kahn war schon wieder bis zur Mündung des Grabens zurückgetrieben und verschwand im Gewimmel der Boote und Nachen auf dem Fluss.
    Als sie sich wieder umwandte, gingen die Nonnen mit der kranken Äbtissin eben ins Haus. Klara beeilte sich, ihnen zu folgen. Irgendjemand musste ihnen die Tür aufgemacht haben, doch jetzt war niemand mehr zu sehen. Auf den Wink einerNonne hin schloss Klara die Tür und schob auch den Eisenriegel vor. Ehe sie etwas sagen konnte, legte eine der Augustinerinnen ihren Zeigefinger auf die Lippen und sah sie beschwörend an.
    Sie standen in einem engen, dämmrigen Treppenhaus. Von weiter oben drang verworrenes Stimmengemurmel zu ihnen herab. Zu Klaras Erstaunen trugen die Nonnen Mutter Sophia nicht etwa die Treppe weiter hinauf, sondern durch ein niederes Türchen in den Keller hinunter. Das gefiel Klara überhaupt nicht – zögernd folgte sie ihnen in die modrig riechende Unterwelt. Sie konnten die arme Mutter Sophia doch nicht hier unten im Keller verstecken!
    Der Winkel unter der Kellertreppe war mit allerlei Gerümpel zugestellt. Mit raschen Handgriffen räumten die Nonnen alles beiseite und dahinter kam eine massive Steinmauer zum Vorschein. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Müde kauerte sich Klara auf den Boden neben Mutter Sophia und schaute in ihr alt gewordenes Antlitz. Die Äbtissin schien wieder tief und fest zu schlafen – glücklicherweise, sagte sich Klara, so bekam sie wenigstens nicht mit, dass ihre Mitschwestern sie inmitten von Spinnweb und Gerümpel abgestellt hatten wie ein altersschwaches Möbelstück.
    Dann vernahm sie ein Knirschen und Malmen, wie wenn Stein auf Stein reibt, und schaute auf. Eben ging, wie von Geisterhand bewegt, eine Tür in der Mauer unter der Treppenkehre auf – und ehe Klara sich versah, hatten die beiden Nonnen die Bahre wieder aufgenommen und verschwanden mit Mutter Sophia in dem Mauerloch.
    Abermals beeilte sich Klara, ihnen zu folgen. In ihrem Rücken gewahrte sie einen Schatten, der lautlos herbeihuschte – bestimmt war das dieselbe hilfreiche Person, die ihnen auch die Hintertür geöffnet hatte. Aber um wen es sich dabei handeln mochte, Mann oder Frau, Mädchen oder Junge, war nicht zu erkennen. Schon schloss sich mit steinernem Malmen hinter Klara wieder die Geheimtür.
    In tintendicker Finsternis ging es nun eine Treppe hinauf, die so schmal war, dass man kaum beide Füße nebeneinander auf die Stufen bekam. Klara tastete nach links und rechts und spürte hier wie dort massives Mauerwerk, teilweise mit Moos oder Schimmelflechte

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