Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
alte Magd, die ihn wie eine zweite Mutter aufgezogen hatte. Wie lange hatte er nicht an sie alle gedacht! Und wie bunt und lebendig tauchten sie nun aus den Tiefen seiner Erinnerung wieder auf – so als ob er gestern erst von zu Hause weggegangen wäre, aus dem Weiler Kirchensittenbach im Nürnberger Land, wo sein Vater Konrad Mergelin einen der größten Bauernhöfe rings umher besaß.
    Aufmerksam musterte Hannes den Erdboden vor der Dornenmauer. Tatsächlich schimmerte es hier und da wie von einer bläulichen Flüssigkeit, die anscheinend vor Kurzem erst vergossen worden war. Hannes wunderte sich, dass die auf und ab stampfenden Soldaten diese Tropfen nicht zu bemerken schienen. Dabei erglänzte auch das Geäst der Dornenhecke an etlichen Stellen im unverkennbaren Blütenblau jener übel riechenden Pflanze. Aber die Purpurkrieger waren wohl allesamt nicht auf dem Dorf aufgewachsen und hatten es nie gelernt, im »Buch Gottes« zu lesen.
    Dagegen sah Hannes nun ganz genau vor sich, welche List Egbert angewendet haben musste, um seine Verfolger abzuschütteln. Er hatte seine Leute angewiesen, auf einer Strecke von wenigstens dreißig Schritten vor der Hecke hin und her zu laufen und dabei den Katzenbann-Sud zu vergießen, damit ihre Verfolger nicht erkennen konnten, wo genau sich der Eingang in die »Heidenburg« befand. Dann hatten sie an der vorbereiteten Stelle die Äste auseinandergebogen – oder vielleicht auch ein loses Stück aus dem Dornenwall herausgezogen –, waren hindurchgegangen und hatten die Hecke hinter sich wieder undurchdringlich verschlossen.
    So und nicht anders musste es sich zugetragen haben, sagte sich Hannes. Aber wenn Egbert und seine Leute ein so wirkungsvolles Abwehrmittel kannten, um die Bluthunde von ihrer Spur abzubringen – warum hatten sie es nicht viel früher eingesetzt? Stattdessen hatten sie sich den ganzen Tag lang durch die Wälder hetzen lassen – aus welchem Grund?
    Angestrengt dachte Hannes darüber nach. Die Antwort war eigentlich ganz einfach, das spürte er genau. Aber seine Kräfte gingen nun entschieden zur Neige – wie er sich auch abplagte, er konnte einfach keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    Um sich ein wenig zu erholen, schloss er die Augen. »Und?«, hörte er den Offizier fragen. »Habt ihr den Durchgang gefunden?«
    Die Soldaten verneinten murmelnd. Feuerfarbene Punkte wirbelten vor Hannes’ gesenkten Lidern im Kreis.
    »Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als um das ganze Dornentrumm herumzureiten«, erklärte der Offizier in verdrossenem Tonfall. »Auch wenn der Vorsprung dieser Teufelshorde dadurch wieder um ein paar Meilen wächst. Verflucht noch mal!«
    Hannes hob ein wenig seine Lider. Der Offizier lächelte noch immer, aber sein Strahlen sah nun wie aus Stein gemeißelt aus. Einmal hatte Hannes gehört, wie Meinolf ihn bei seinem Vornamen genannt hatte – Elias. Aber da hatte er sich vielleicht auch verhört: Der Prophet Elias hatte schließlich heilsame Wunderkräfte besessen. Mit himmlischer Hilfe hatte er zu alttestamentarischen Zeiten einen toten Jungen wieder zum Leben erweckt und überdies unzählige Menschen durch Regenzauber vor einer Hungersnot bewahrt.
    »Aufsitzen«, befahl Elias, falls er tatsächlich so hieß. »Wir reiten rechter Hand um die Dornenburg herum.«
    »Aber ganz im Gegenteil«, widersprach hinter ihnen im Dickicht eine Jünglingsstimme, bei deren hellem Klang Hannes zusammenfuhr. »Im Namen des Heiligen Vaters«, fuhr Meinolf fort, »ich befehle euch, das Gestrüpp anzuzünden. Alles Heidnischemuss vernichtet werden – und wenn es uns im Weg ist, dann erst recht.«
    Der Dominikaner sprang von seinem Pferd. Die beiden Purpurkrieger, die mit ihm zusammen den Wagen der Maurer verfolgt hatten, taten es ihm gleich. Zwischen Meinolf und Elias entbrannte ein heftiger Wortwechsel, von dem Hannes allerdings nur den Anfang mitbekam. »Aber der Wind!«, hörte er den Offizier noch ausrufen. »Wir würden die Stadt Creußen gleich mit anzünden!«
    »Wenn diese Gemeinde gottesfürchtig lebt«, gab Meinolf zurück, »wird sich der Wind rechtzeitig drehen. Und wenn nicht – dann leben sie in Sünde und haben nichts Besseres verdient.«
    Just in diesem Moment schwanden Hannes die Sinne. Seine magische Erweckung durch
Das Buch der Geister
, kurz darauf seine Verschleppung durch die Purpurkrieger, dann das stundenlange Überkopfhängen auf dem Muli und nun auch noch Meinolfs dramatischer Auftritt – das alles war zu viel für seinen

Weitere Kostenlose Bücher