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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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mit geröteten Augen ins Bett kroch, hatte er ein schlechtes Gewissen. Er wusste, dass seine Mutter eine solche Zeitverschwendung nie geduldet hätte. Aber sie war nicht mehr da und niemand anders interessierte sich dafür, wie Darek seine Abende gestaltete. Was den Vater anging, seine Einwände hatte er bis jetzt immer widerlegen können. Besonders nachdem Darek für ihn im Netz einen zwar befristeten, aber anständig bezahlten Job auf dem Bau gefunden hatte – der diente ihm seitdem als Argument für die Nützlichkeit des Anschlusses. Heute kam unerwartet ein weiteres dazu: Pferdemarkt und Versteigerungen.
    Â»Ich habe dich bei Facebook gesucht«, sagte Hanka, »aber da bist du nicht.«
    Darek setzte eine schuldbewusste Miene auf. »Mist, du hast meinen Charakterfehler aufgedeckt! Und ich habe gehofft, du kommst nicht dahinter.«
    Â»Hör auf, über Facebook kann man alles Mögliche machen.«
    Â»Klar, zum Beispiel einen Schaltkreis bauen.«
    Â»Haha«, belohnte sie seinen Humorversuch. »Wenn du nicht bei Facebook bist, dann kennt dich keiner. Es ist, als wenn du nicht existierst. Über Facebook kannst du deine Meinung äußern, du kommst mit einer Menge von interessanten Leuten in Kontakt, kannst ihre Fotos anschauen, Videos … Hast du noch Zeit? Ich zeig dir etwas.«
    Darek schaute durchs Fenster. Noch war der Vater nicht zurück. Bis zu den Bienenstöcken konnte er von hier aus zwar nicht sehen, aber auf dem Weg am Hang war niemand.
    Â»Dann komm mit.« Er führte Hanka die Treppe hinauf und dabei wurde ihm bewusst, dass er sie zum ersten Mal mit auf sein Zimmer nahm. Bisher war sie nur unten im Flur oder höchstens in der Küche gewesen Es kam ihm vor, als würde er jetzt ein Stück seiner Privatsphäre preisgeben. Er schaltete den Computer ein und während dieser hochfuhr, räumte Darek eilig die herumliegenden Spiele-CDs weg, damit Hanka sie nicht sah. Vielleicht fand sie ihn ja kindisch. Zum Glück achtete sie gar nicht darauf und schaute sich neugierig das Obergeschoss an.
    Â»Gemütlich«, sagte sie. »Total romantisch!«
    Darek zuckte verlegen die Schultern. Falls gemütlich alte Holzbalken und romantisch Zwielicht bedeutete, dann hatte sie recht. Das Obergeschoss war unter der Dachschräge eingequetscht, auf Gang und Treppe fiel durch kleine Fenster Licht. Zu Zeiten der Urgroßeltern gab es hier einen Speicher, in der Epoche des Aufbaus des Kommunismus hatten die Genossenschaftsbauern zwei Büros unter dem Dach aufgebaut. Eines hatte der Vater nach der Hochzeit in ein Schlafzimmer verwandelt, das zweite wurde Darek zuteil. Später hatte man ein Stück davon für Ema abgetrennt.
    Â»Wo ist dein Zimmer?«, fragte Hanka. »Kann ich es sehen?«
    Â»Wenn du willst«, antwortete er gleichgültig, in Wirklichkeit aber war er froh, Hanka vorführen zu können, wie es bei ihm aussah. Er hatte sein Zimmer allein eingerichtet, ohne fremde Hilfe hatte er Wände gestrichen und Dielen lackiert und aus einem alten Webstuhl ein Bücherregal gemacht. Es Hanka zu zeigen, war fast besser, als ihr etwas über sich zu erzählen. Er öffnete die Tür und ließ sie eintreten.
    Â»Immer noch romantisch?«, fragte er und nickte Richtung Fenster, hinter dem der zerfallene Kuhstall mit der Aufschrift FORTSCHRITT zu sehen war. Hanka würdigte den Stall nur eines kurzen Blickes. Etwas anderes fesselte ihre Aufmerksamkeit.
    Â»Das ist deine Mutter, oder?« Sie trat an das Foto über dem Schreibtisch und besah es sich aus nächster Nähe. Es war ein Schnappschuss aus seiner Kindheit. In einem viel zu engen T-Shirt und einer gestreiften Hose saß er auf Mutters Schoß und sah wie Obelix aus. Seine krapfenartigen Backen strahlten vor Zufriedenheit und sein Haar, glatt nach hinten gekämmt, ließ die sowieso dominante Stirn noch deutlicher hervortreten. Vater hatte das Bild eingerahmt und aufgehängt. Darek ließ es an der Wand, um dem Vater eine Freude zu machen. Mutter trug auf dem Foto ein Hemd und eine Jeans, was ihm überhaupt nicht gefiel. Er mochte sie lieber in Erinnerungen, in denen sie ein Kleid anhatte, am besten das blaue.
    Â»Sie war unglaublich schön«, bemerkte Hanka, den Blick immer noch auf das Bild geheftet.
    Â»Das war sie«, stimmte Darek zu.
    Â»Wie ist sie eigentlich …?« Hanka ließ den Satz unvollendet, aber Darek wusste,

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