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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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das habe ich bei Ema befürchtet. Deshalb bin ich froh, dass sie sich so gut macht …«
    Sie legte eine Pause ein, griff in die Tasche ihres karierten Kostüms und zog ein Taschentuch heraus. Sie wischte sich die Nasenspitze ab. Es war eine Geste, mit der sie Zeit gewinnen oder Darek Zeit lassen wollte. Er sollte sich auf etwas gefasst machen, bevor es ausgesprochen wurde. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und wartete.
    Â»â€¦ wenn ihr auch nicht von allen Seiten so eine Unterstützung zukommt wie von dir.«
    Â»Von wem sprechen Sie?«
    Â»Ich weiß, dass es euer Vater nicht leicht hat«, antwortete sie ausweichend. »Allein mit zwei Kindern und noch dazu die Arbeit zu verlieren, das wäre für jeden ein Schlag.«
    Also wusste sie schon von Vaters Entlassung. Sie sah Darek mit einem mitleidigen Lächeln an, das ihre Worte abmildern sollte.
    Â»Ich bin sicher, dass ihr es zusammen schafft, es wird aber wohl noch dauern.«
    Â»Dauern? Was wird dauern?«
    Â»Bis sich dein Vater damit abfindet. Bis er merkt, dass er seine schwierige Situation nicht verbessert mit …« Sie zögerte, dann vervollständigte sie den Satz leise: »… mit Kneipenbesuchen.«
    Das war ein klarer Angriff. Darek begriff, dass er ihn abwehren musste.
    Â»Falls Sie es nicht wissen, ein Lokal erfüllt auf dem Land eine wichtige gesellschaftliche Funktion als gemeinschaftlicher, kommunikativer und informativer Treffpunkt. Wir haben das in Gemeinschaftskunde gelernt«, sagte er so gelassen, wie er nur konnte, und sah die Frau mit verbissener Freundlichkeit an. Er war froh, dass sie ihm nicht in die Hosentaschen sehen konnte. Er hatte die Hände darin zu Fäusten geballt. »Gehen Sie etwa nie in die Wirtschaft, um zu Mittag oder zu Abend zu essen?«
    Â»Es geht nicht um auswärts essen«, erwiderte sie genauso freundlich wie er. »Jetzt geht es um den Konsum von Alkohol. Ums Betrinken.«
    Â»Papa betrinkt sich nicht!«, stieß Darek hervor. Aller Mühe zum Trotz gelang es ihm nicht, Ruhe zu bewahren. »Haben Sie ihn etwa jemals betrunken gesehen?«
    Â»Ich nicht, aber andere haben ihn gesehen. Nicht nur in der Kneipe und nicht nur abends.«
    Â»Glauben Sie alles, was Ihnen die Leute zutragen?«
    Â»Wenn sich die Informationen aus unterschiedlichen Quellen decken, kann ich sie nicht auf die leichte Schulter nehmen«, sagte sie mit einer unerträglichen Besonnenheit. Sie war Darek gegenüber im Vorteil, weil sie nur angriff. Sie musste nicht ihre Kraft zur Verteidigung verschwenden. »Ich will das Beste für dich und Ema. Du weißt sehr gut, dass unser Zentrum neben Beratung und finanzieller Hilfe auch einen Pflegedienst anbietet. Wenn sich die Zustände in manchen Familien verschlechtern, können wir den Kindern helfen, indem wir sie – natürlich für begrenzte Zeit, bis sich die Situation geregelt hat – in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung unterbringen.«
    Darek stand auf.
    Â»Sie sind verrückt geworden«, sagte er.
    Â»Mir ist klar, dass es dir …«
    Â»Sie werden weder mich noch Ema irgendwo hinschieben«, verkündete er kurz und knapp. »Vergessen Sie das.«
    Â»Ich sage nicht, dass ich dich oder deine Schwester irgendwo hinschieben will. Ich würde das nur gerne lösen …«
    Â»Wenn Sie gerne was lösen wollen, kaufen Sie sich ein Sudokuheft«, riet er ihr. »Uns lassen Sie in Ruhe!«
    Â»Darek, schau mal, du wirst vierzehn Jahre alt. Du verstehst schon eine Menge. Ema ist … Sie ist wunderbar, aber du weißt genau, dass sie an einer leichten Behinderung leidet, und deshalb braucht sie viel mehr Pflege und Aufmerksamkeit als andere Kinder. Sie wäre nie so weit gekommen, wenn eure Mutter ihr nicht all ihre Zeit und eine Menge Energie gewidmet hätte. Jetzt droht Gefahr, dass Emas Entwicklung stehen bleibt oder sich ihr Zustand sogar verschlechtert.«
    Â»Können Sie mir sagen, warum sich ihr Zustand verschlechtern sollte?«
    Â»Die Lehrerin, Frau Paterova – und die hat bestimmt keinen Grund, mir Falsches zuzutragen –, hat mir ansatzweise von Ema erzählt. Sie hat mir Emas Hefte gezeigt, ihre Hausaufgaben. Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass ihr Niveau abgesunken ist …«
    Â»Was wissen Sie schon von Emas Niveau?« Darek lachte gereizt. »Wollen Sie sie nur danach bewerten, wie sie ein Bild

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