Orangentage
turnt. Wo die Feinde sind«, informierte Ema sie und schaute dabei die Tasche mit dem Hund an. Sie tat einen Schritt auf ihn zu. Dann einen zweiten. Der Spitz zog sie unwiderstehlich an. Sie hockte sich zu ihm, strahlte von einem Ohr bis zum anderen, ihre Finger bohrten sich in sein weiÃes Fell.
»Die Feinde?«, wiederholte Marta. Schon war die Angst aus ihrer Stimme gewichen, aber die Unsicherheit blieb. »Welche Feinde denn?«
Darek wusste, dass er jetzt etwas sagen musste. Aber wie? Bisher war er immer nur frech zu Marta gewesen. Hatte sie mit seinen Beleidigungen dafür bestraft, dass sie sich in ihre Familie einmischte. Welchen Ton sollte er nun anschlagen? SchlieÃlich trat er an den Schalter und legte wortlos die amtliche Aufforderung auf das Pult. Marta nahm das Papier und flog mit den Augen darüber, so schnell, als würde sie gar nicht lesen. Darek begriff, dass sie das Schreiben kannte. Wahrscheinlich hatte sie es längst am Kühlschrank unter dem Magneten bemerkt, oder Vater hatte mit ihr über die ganze Angelegenheit gesprochen. So wie über andere Sachen. Wer weiÃ, was er ihr alles anvertraute, wenn sie alleine waren. Darek verspürte das bekannte Stechen in der Magengegend. Mochte es Eifersucht, Leid oder etwas anderes sein, er beschloss, sich nicht damit zu beschäftigen.
»Papa wollte hinfahren«, quetschte er zwischen seinen Zähnen hervor. »Er ist aber im Wald, beim Sägewerk. Wegen der Stute.«
Marta nickte â auch das wusste sie. Darek war erleichtert, dass sie keine Fragen stellte. Sie legte das Schreiben weg, nahm die unterschriebene Empfangsbestätigung von dem alten Mann entgegen und legte sie ins Regal.
»Willst du nicht aufstehen?«, forderte sie Ema auf, die auf dem Boden kniete und vor Begeisterung quietschte. Der Spitz hatte ihr schon die Wangen und die Nase abgeleckt und machte sich gerade über ihr Ohr her.
»Keine Angst«, meldete sich der Mann zu Wort. »Unser Besen tut nichts. Er hat Kinder gerne.«
»Ich habe keine Angst«, sagte Marta. »Ich würde Sie nur bitten, dass Sie den Besen nehmen und gehen, ich muss schlieÃen.«
»Schon? Ich dachte, das Postamt hätte noch eine halbe Stunde geöffnet«, wunderte sich der Mann.
»Das dachte ich auch, hat es aber nicht«, antwortete Marta knapp. Ohne jegliche Erklärung oder Entschuldigung. Das war genau ihr Stil, sie führte nie groÃe Reden. Auch eine lange Warteschlange vor dem Schalter konnte sie meistens in ein paar Minuten erledigen, weil sie sich auf die Arbeit und nicht auf den Nachbarstratsch konzentrierte. Sie wartete, bis der Mann mit dem Hund drauÃen war, dann reichte sie Darek die Schlüssel.
»Schlieà das Gitter ab und die Tür«, sagte sie zu ihm und schaute auf ihre Armbanduhr. »Es ist gleich zehn, wir haben viel zu tun. Beeil dich!«
Darek hätte sich gerne beeilt, aber er konnte nicht. Etwas hinderte ihn daran. Er musste die Befürchtungen abschütteln, die ihm keine Ruhe gaben.
»Du fährst also mit uns?«, fragte er mit einer möglichst schroffen Stimme. Marta durfte nicht denken, dass er ihr grenzenlos dankbar war.
»Deshalb seid ihr doch zu mir gekommen, oder nicht?«
»Und was sagst du denen im Zentrum?«
»Was soll ich schon sagen? Die Wahrheit.«
»Welche Wahrheit?«
»Dass ich die Freundin â¦Â« Marta zögerte einen Augenblick, aber beendete dann den Satz entschieden: »⦠der Familie bin. Dass ich versuche, euch möglichst viel zu helfen, damit die Familie weiter funktioniert, so wie es sein soll.«
»Das ist alles?«, fragte Darek nach. »Nur das? Nichts weiter?«
»Hast du Angst, dass ich von deinem glorreichen Ritt und der Feuerwehr erzähle?«
Darek schüttelte den Kopf. Das war nicht seine gröÃte Sorge.
»Wirst du dich danach bei uns breitmachen? Weil du dann amtlich genehmigt Mami spielen darfst?«
Marta wurde dunkelrot, ihre Augen blitzten in einer Art, die er gut kannte.
»Ich wollte mich nie bei euch breitmachen!«, zischte sie ihm wütend ins Gesicht. »Und Mami habe ich selbst als Kind nicht gespielt! Ich habe Indianer gespielt, ich habe es dir erzählt. Und wenn ich mich nicht irre, habe ich dir auch erzählt, was ich eines Tages mit dir mache. Ich hoffe, du hast es nicht vergessen.«
Darek grinste zufrieden. Nichts anderes wollte er hören. Auch ihr Ton war ihm
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