Orangentage
angenehm, denn der garantierte ihm, dass alles beim Alten bleiben würde.
»Ich vergesse es nicht«, versicherte er ihr. Und dann, aus einem plötzlichen Impuls heraus, fügte er hinzu: »Weder das Schlechte noch das Gute.«
Wie auch immer sie seine Worte verstand, ihre Wut lieà nach. Sie schloss die Kasse ab, stellte sich auf die Zehenspitzen und zog mit einer energischen Bewegung den Rollladen über dem hohen Regal herunter.
»Ich hole mein Auto und ihr lauft zum Fluss, damit ich nicht zurückmuss«, entschied sie. »Damit sparen wir Zeit.«
»Wir warten an der Kreuzung hinter der Brücke«, sagte Darek und machte einen Schritt auf die Tür zu. »Ema?«
Er sah sich um. Noch vor einem Augenblick hatte sie hinter ihm gestanden, jetzt war sie weg. Bestimmt hatte sie sich versteckt und war ganz wild darauf, dass man sie suchte.
»Ema!«, rief Marta. »Wir sehen dich! Komm raus!«
Ihr Manöver zeigte keinen Erfolg. Ema blieb mucksmäuschenstill in ihrem Versteck.
»Ema, sag was!« Dareks Stimme schlug mindestens eine Oktave höher an. »Bist du taub?«
Stille antwortete ihm. Er schlug mit der Faust gegen den Schalter.
»Du wolltest doch einen Ausflug machen!«, brüllte er so laut, dass Marta zusammenzuckte. »Also sieh zu, dass du herauskommst, oder wir fahren nirgendwohin! Hast du das verstanden?«
Das Echo seines letzten Wortes hing noch in der Luft, als ein Rascheln ertönte, begleitet von Treten und dumpfen Schlägen. Der Lärm kam aus dem geschlossenen Regal. Marta sprang schnell hin und öffnete den Rollladen. Aus dem Stauraum für Päckchen kroch Ema heraus â die Hände voll mit Tinte und auf der Stirn einen Stempelabdruck. Sie lächelte. Nicht mit dem breiten Clownlächeln, sondern sanft und warm wie immer, wenn sie von einer Idee beseelt war.
»Ich will keinen Ausflug mehr«, sagte sie mit leuchtenden Augen. »Ich will lieber einen weiÃen Hund.«
4.
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Abgeschossen!«
»Träum weiter!«
Darek und Hugo schauten zum Trainer.
»Hugo bleibt im Feld«, entschied dieser. »Weiter!«
Darek stritt sich nicht. Er wusste mit absoluter Sicherheit, dass der Ball Hugo berührt hatte, er wusste aber genauso gut, dass er ihn wieder treffen würde. Auf sein Visier konnte er sich verlassen. Nur ganz selten verfehlte er sein Ziel, deshalb wollten ihn die Dodgeball-Kapitäne immer in ihrer Mannschaft haben. Es war vor allem Dareks Verdienst, dass jetzt, anderthalb Minuten vor Schluss, die meisten Spieler der gegnerischen Mannschaft auf der Spielerbank saÃen. Hugo hatte er sich bis zuletzt aufgespart.
Hugo hüpfte mitten auf dem Spielfeld herum und provozierte Darek mit erhobenem Mittelfinger. Darek wartete, bis er sich der Seitenlinie näherte, wo sein Aktionsradius eingeschränkt war. Dann holte er aus und warf so hart und schnell, wie es nur ging. Er zielte auf die Beine, denn er kannte Hugos Reaktion. Es war ihm klar, dass er in die Knie gehen und um jeden Preis versuchen würde, den Ball zu fangen. Doch dazu gab ihm Darek keine Chance, dazu war der Schuss zu flach. Alle verfolgten mit Spannung den Ball. Hugo griff danach, wie Darek erwartet hatte, versuchte ihn mit den Fingern zum Körper zu drehen, aber der Ball rutschte weg und prallte knapp vor der hinteren Feldlinie auf. Die Schreie seiner Mannschaft durchschnitten die gespannte Stille. Hugo, der das Gleichgewicht verloren hatte, kippte vornüber und rutschte noch ein Stück auf den Knien. Der Trainer pfiff ab.
»Reicht das, oder willst du noch ein drittes Mal?«, fragte Darek mit unverhohlenem Triumph.
Hugo antwortete nicht. Er sprang auf und rannte rasend vor Wut auf Darek zu. Doch bevor er sich auf Darek stürzen konnte, packte ihn der Trainer am Arm und drehte ihn entrüstet zu sich.
»Spinnst du? Du kriegst drei Strafpunkte für unsportliches Verhalten! Bis morgen bleibst du von allen gemeinschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen!«, verkündete er scharf und zeigte auf Hugos blutige Schienbeine. »Geh und lass dich verarzten!«
Hugo wollte etwas erwidern, doch er überlegte es sich und stampfte mit verbissenem Gesichtsausdruck zur Krankenstation. Der Trainer schaute zuerst auf seine Uhr, dann zum blanken Himmel. Nur von der polnischen Grenze her näherte sich eine dicke Wolke, die zumindest für eine Weile die Sonne verdecken könnte. Ein paar Tropfen könnten
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