Orangentage
Satz spielte er auf die Tatsache an, dass weder Hanka noch Mischa in Piosek waren und dass sogar Ema und Marta für den letzten Teil der Sommerferien in ein Kinderferienheim gefahren waren.
»Keine Angst, ich schaffe das hier alleine«, versicherte er Darek und versprach, täglich die Mausfalbe aufzusatteln, damit man sie später nicht neu an den Sattel gewöhnen musste. Und er würde auf keinen Fall Oskar an Herkules heranlassen. Der Apfelschimmel war jünger, dominanter, und sobald er sich ein bisschen Fleisch auf die Rippen gefuttert hatte, fing er an, um die Leitposition zu kämpfen. Er musste in einer abgegrenzten Ecke der Weide gehalten werden und durfte Herkules möglichst nicht sehen. Einmal griff er den Leithengst an, als Vater ihn an die Tränke lieÃ. Herkules hatte ihn damals mit gefletschten Zähnen verjagt, aber Darek war sich sicher, dass es sich wiederholen würde. Oskars Versuche, zu seinem Rivalen zu gelangen, wurden immer aggressiver, nicht einmal die Umzäunung hinderte ihn. Wenn Vater zu Hause war, hatte er den Hengst mehr oder weniger unter Kontrolle, aber in letzter Zeit fuhr er in eine Tischlerei in Bruntal zum Aushelfen und so blieben die Pferde stundenlang alleine. Darek machte sich Sorgen, was alles passieren könnte.
»Natürlich, du Pferdeanwalt, ohne deine persönliche Aufsicht wird hier alles zugrunde gehen!«, lachte Vater ihn wegen seiner Bedenken aus. »Und was ist mit mir? Und Anton? Und Herrn Havlik, der jeden Tag herkommt? Ist auf uns kein Verlass? Meine Güte, mach dir keine Sorgen und fahr!«
Darek fuhr ins Trainingslager, aber er machte sich Sorgen. Seine Gedanken kehrten immer wieder zu den Pferden zurück.
»Hört mal zu!« Die Stimme des Trainers ertönte über dem Sportplatz. »Lasst uns ein Stündchen relaxen. In dieser Hitze holen wir uns nur einen Sonnenstich. Wer will, kann aufs Zimmer gehen, wer drauÃen bleibt, geht in den Schatten! Und trinken, meine Herren! Jeder von euch trinkt jetzt sofort mindestens zwei Becher Wasser!«
Darek stand vom Rasen auf, wo er sich ausgeruht hatte, und schloss sich den anderen an. Sie schlenderten in die Garderobe, nahmen das gerade beendete Spiel durch, die Fehler der einzelnen Spieler und die Ungerechtigkeiten des Trainers, sie zeigten sich gegenseitig ihre kleinen Verletzungen und wrangen die durchgeschwitzten T-Shirts aus.
In der Schlange vor dem Wasserspender mit gekühltem Trinkwasser reihte sich Darek hinter Simon ein, dem Vizekapitän. Er spielte Kane & Lynch auf dem Handy. Darek schaute ihm eine Weile über die Schulter zu, wartete, bis Simon sich durch eine gemeine Treppenkurve durchlaviert hatte, und fragte dann, ob er ihn eine kurze SMS schreiben lieÃ. Simon nickte ohne zu zögern.
»So viele und wie lange du magst«, sagte er. »Ich habe tonnenweise SMS gratis.«
Er leerte die Granatschleuder, liquidierte zwei Einheiten schwerstbewaffneter Soldaten, rammte seinem Kumpel eine Adrenalinspritze ins Herz, sprang durch das offene Fenster in ein fahrendes Auto, gab Darek das Handy und ging Wasser trinken.
I not only miss you, tippte Darek schnell. Im Laufe des Tages hatte er genug Zeit gehabt, die SMS vorzubereiten, also musste er jetzt nicht lange darüber nachdenken. Sie war die Antwort auf Hankas Frage, die er morgens per Post bekommen hatte. Do you miss me?, hatte sie am Rande der Postkarte aus den Arabischen Emiraten in kleiner, schräger Schrift gefragt. Er kannte ihre Schrift nicht, da sie sich bisher nur Mails geschrieben hatten. Auf der Postkarte waren die Festung al-Fahidi, das Hotel Burj al Arab und weitere von der Sonne verwöhnte Sehenswürdigkeiten zu sehen. Die Aufschrift auf der Rückseite verriet, dass es sich um Dubai handelte, und Hankas Hand hatte eine stichwortartige Nachricht hinzugefügt: Hitze wie im Vulkan, Meer wie Brühe, gestern hat mich eine Qualle geküsst, Sonnenbaden langweilig hoch zwei, würde gern irgendwo alleine hingehen, aber die Alten haben Muffe vor Entführern, nicht mal Mischa lassen sie aus den Augen, freu mich schon auf zu Hause. H. Dann folgte die erwähnte Frage auf Englisch.
Alles, was zwischen ihnen intim war, drückten sie auf Englisch aus. Nicht, dass die Sprache von Tolkien, Pratchett und Rowling sie so verzaubert hätte (Darek beherrschte sie nicht einmal so weit, dass er die Bücher seiner Lieblingsautoren im Original hätte lesen können), aber
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