Ordnungszahl 120
mein Flug in größter Stille vollzog. Ich vernahm nicht das Donnern der in regelmäßigen Abständen aufzuckenden Gassäulen, doch ich fühlte das rasch aufeinander folgende Stürzen und Steigen, das typisch für unseren »Wellenlinienflug« war.
Die Sonne blendete stark, obwohl meine Rundsichtverkleidung dunkelblau gefärbt war.
Ich probierte einige Flugfiguren aus, um mich mit der Maschine vertraut zu machen. Hannibal und Mitchum folgten meinem Beispiel, und so entwickelte sich über den Riesenkratern des Mondes ein riskantes Manöver.
Allmählich gewöhnte ich mich wieder an diese Art der Fliegerei. Gleichzeitig verschwand auch meine Angst vor der anschließenden Landung, die natürlich nach Raketenart auf dem Gasstrahl zu erfolgen hatte.
Durch unsere Raumakrobatik hatten wir ziemlich viel Zeit verloren, doch hatten wir dabei immerhin unseren Kurs gehalten. Infolge der fünfzehnfachen Schallgeschwindigkeit befanden wir uns schon über dem nördlichen Pol. Weit voraus tauchten bereits die Umrisse der Gebirgslandschaft auf, hinter der das Mare Imbrium begann. Fast schlagartig wurde es dunkel. Ich konnte beobachten, wie die Sonne hinter dem Horizont verschwand und dafür ein riesiger blauer Ball auftauchte: unsere Erde. Scheinbar zum Greifen nahe hing sie über dem finsteren Land der vorderen Halbkugel.
Hannibal unterbrach meine Gedanken.
»Zeit zum Kurswechsel, Sir. Wir befinden uns bereits über dem vom GAS beanspruchten Gebiet.«
Ich nickte seinem Bild auf der Sichtfläche zu und drückte den Knüppel nach links.
Mit grellweiß aufzuckenden Gasflammen schossen wir davon. Unmittelbar darauf tauchte erneut die Sonne auf. Wir befanden uns wieder über unserem Hoheitsgebiet.
Als ich nach einem Blick auf den Tankanzeiger der Strahlmassen den Befehl zum Rüdeflug geben wollte, klang Mitchums Stimme auf. Zugleich erschien auf der Bildfläche des Gerätes sein Gesicht, das ich hinter der großen Helmscheibe recht gut erkennen konnte.
Es war verzerrt. Seine Stimme überschlug sich fast.
»Meteortreffer, Sir«, schrillte es aus dem Lautsprecher. »Der Brocken muß den Wärmeaustauscher durchschlagen haben. Ich kann im Kontrollgerät erkennen, daß einzelne Teile zerschmolzen sind! Triebwerk beginnt unregelmäßig zu arbeiten.«
Ich fuhr so heftig zusammen, daß die Anschnallgurte in mein Fleisch schnitten. Aus Mitchums Strahldüse entwichen die Gasstöße sehr unregelmäßig und puffend. Er mußte tatsächlich einen schweren Schaden erlitten haben.
Meine erste Reaktion war ein Fluch. Das Werk lag über zweitausend Meilen entfernt. Wir befanden uns außerdem über einer öden Landschaft, in der es keinen Hilfsposten gab.
»Ich stürze«, schrie der Captain verzweifelt. Im gleichen Augenblick glitt seine Maschine schräg nach unten.
Als er an mir vorbeischoß, konnte ich sehen, daß seine Schwenkdüse auf Steigflug stand, doch die daraus hervorzuckenden Flammen waren kaum noch wahrzunehmen. Er konnte nur von einem verhältnismäßig kleinen Meteor getroffen worden sein; aber das hatte ausgereicht, ihn manövrierunfähig zu machen.
Diese kosmischen Trümmer waren die gefährlichsten Feinde der Mondflieger. Infolge der fehlenden Atmosphäre rasten sie, ohne Widerstand zu finden, bis auf die Oberfläche hinab.
Captain Mitchum stürzte. Ich drückte automatisch den Knüppel nach vorn. Hannibal rief mir etwas zu, doch ich verstand kein Wort.
»Mitchum, hören Sie?« brüllte ich in das Helmmikrophon. »Mitchum, versuchen Sie, die Maschine in Ihre Gewalt zu bringen! Stellen Sie sie auf die Gassäule, und riskieren Sie eine Landung. Macht das Triebwerk nicht mehr mit, dann
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