Orks vs. Zwerge
sich endlich. Einen Moment später entfernte sich das Gesicht des Toten von seinem und kippte zur Seite, aus seinem Sichtfeld. Mit ihm verschwand der mörderische Druck auf seinen Brustkorb. Rasselnd atmete er ein. Über ihm tauchte ein anderes Gesicht auf, dankbarerweise jedoch ein ganzes Stück weiter weg und etwas weniger hässlich. Der Aerc, der auf ihn heruntersah, musste einer Art angehören, die Krendar noch nie gesehen hatte. Er war deutlich kleiner als alle Aerc, die er kannte, beinahe noch dünner als ein Mensch und hatte eine kränklich grün schimmernde Hautfarbe. Mit den fremdartig großen Augen und dem kahl rasierten Schädel erinnerte er absurderweise an einen Ghaat-Frosch aus den Tümpeln des Sommerlagers. Grinsend entblößte der Aerc ein grellrotes Gebiss, und Krendar revidierte seinen Vergleich. Er hatte noch nie einen Frosch mit spitzgefeilten Zähnen gesehen.
»Schau an, schau an, was haben wir denn hier? Ein Kriegerjunges, das noch lebt. Da hat aber jemand Glück gehabt, was?« Der Blutzahn-Frosch hatte einen fremdartig singenden Dialekt. Seine Stimme passte zu seinem Äußeren. Sie klang schleimig.
»Hab ich?«, krächzte Krendar.
Der Froschaerc hockte sich neben ihn und musterte ihn der Länge nach. Dann schniefte er. »Sieht so aus. Jede Menge Kratzer und Schnitte, aber nichts, was einen großen, starken Burschen wie dich umhauen sollte, was?«
Irgendwas hatte ihn aber umgehauen. Krendar verzerrte das Gesicht und betastete mit der Zunge eine geplatzte Lippe. Sein Kopf schmerzte von Augenblick zu Augenblick mehr.
»Ne hässliche Beule hast du da«, kommentierte der Frosch und stach mit einem langen, dünnen Finger nach seiner Stirn.
Der Schmerz explodierte hinter Krendars Augen.
»Hast versucht, den Wühler mit dem Kopf zu erschlagen? Tja, jetzt weißt du’s besser, was? Die Dinger haben einen Schädel, auf dem man Schildkröten zerbrechen kann. Außerdem tragen sie Helme. Aber ihr großen Trottel müsst es ja trotzdem versuchen.« Er zerrte an etwas neben Krendar herum, und als der vorsichtig den Kopf drehte, sah er, dass der Frosch versuchte, dem toten Zwerg den Helm vom Schädel zu ziehen. Offensichtlich mit wenig Erfolg.
»Tja, was soll’s. Er ist sowieso verbeult. Willst du seinen Panzer haben?«
Krendar setzt sich mühsam auf. Ihn schwindelte. »Hmp«, sagte er, und der Froschaerc nickte, als sei ihm das Antwort genug.
Mit flinken Fingern begann er, den Brustpanzer des Zwergs zu lösen. »Dachte ich mir schon. Ihr großen Krieger habt es ja nicht so mit Rüstungen. Na, jeder, wie er mag. Aber gut getroffen«, sagte er anerkennend. »Diese Gepanzerten sind verdammt schwer zu knacken, was?«
Der junge Aerc betrachtete den Toten genauer. Tatsächlich war der Zwerg von Kopf bis Fuß in Metall gehüllt. Ein Panzerkrieger der Wühler, einer der Häuptlinge des Feindes. Vorsichtig schluckte er. Zwischen Brust- und Rückenpanzer des Zwergs ragte das abgebrochene Ende eines Speers hervor. Nicht seine Waffe, aber Krendar fühlte sich nicht danach, das richtigzustellen. Er begnügte sich damit, unbestimmt zu brummen und zu warten, dass seine Umgebung aufhörte, sich zu drehen. Als er sicher war, sich nicht übergeben zu müssen, räusperte er sich. »Was ist passiert?«
»Was passiert ist?« Wieder grinste der Frosch sein blutrotes Grinsen. »Du warst ziemlich lange weg, was?«
Erst jetzt wurde Krendar bewusst, dass die Nacht einem neuen Tag gewichen war. Der Unterschied war nicht sonderlich auffällig. Das Licht war noch immer dämmrig, es nieselte nach wie vor, und der Nebel war womöglich noch dichter geworden. Suppe. Das war der Ausdruck, den sein Stamm dafür verwendete. Dick und undurchsichtig wie eine gute Suppe, mit schemenhaften, undefinierbaren Brocken darin, die genauso gut Stücke von Grünzeug wie Fleisch sein konnten. Es roch sogar danach. Angebrannt.
»Ein glorreicher Sieg, das ist passiert. Wir haben die Erdmaden geschlagen. Weggefegt. Zerquetscht.«
»Wir haben gewonnen?«, fragte Krendar überflüssigerweise.
»Gewonnen und das Tor eingenommen. Die Ahnen waren diese Nacht mit unserem großen Kriegsherrn Rogoru, und viele tapfere Krieger sind jetzt bei den Ahnen. Aber das sind die ja gewohnt, was? Du hast also ne ganze Menge Heldentaten verschlafen. Seit Tagesanbruch gehört uns die Oststadt.«
Wie aufs Stichwort zog ein trüber Lichtschein hoch oben im Nebel über sie hinweg und verschwand mit zornigem Fauchen hinter ihnen.
»Na gut, vielleicht verteidigen die
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