Ort des Grauens
Hüften, ihren nackten Bauch und über ihre Brüste.
Candy zerbrach die Wirbelsäule des Tieres -über seinem gebeugten Knie. Violet erzitterte. Verbina wimmerte und klammerte sich an ihre Schwester. Das Eichhörnchen hatte keinerlei Gefühl mehr in seinen Extremitäten.
Leise knurrend biß Candy in die Kehle des Tierchens.
Mit den Zähnen zerfetzte er die Haut und riß die blutreichen Adern auf.
Violet spürte, wie das heiße Blut aus dem Eichhörnchen pulsierte, fühlte Candys Mund, der sich hungrig auf die Wunde preßte. Es schien fast so, als sei da kein Stellvertreter zwischen ihnen, sondern als preßten sich seine Lippen fest auf Violets Kehle und als ströme ihr eigenes Blut in seinen Mund. Sie wünschte, sie könnte auch in Candys Bewußtsein eindringen, und so sowohl da sein, wo daß Blut abfloß, als auch da, wo das Blut ankam. Doch sie konnte sich nur mit Tieren verschmelzen.
Sie hatte nicht mehr die Kraft, sitzenzubleiben. Sie ließ sich auf die Decken zurückfallen und war sich nur halb der Tatsache bewußt, daß sie leise vor sich hinsang: »Ja, ja, ja, ja...«
Verbina rollte sich auf ihre Schwester.
Die Katzen purzelten um sie herum wie eine aufgewühlte Masse von Fell, Schwänzen und Gesichtern mit Schnurrhaaren.
Thomas versuchte es noch einmal. Julie zuliebe. Er reichte hinüber in das kalte, glühende Bewußtsein des Bösen Dings. Das Böse Ding zog ihn augenblicklich zu sich hin. Er ließ zu, daß sein Bewußtsein sich abwickelte wie eine große Zwirnrolle. Es durchbohrte das Fenster, schnellte hoch in die Nacht, berührte etwas.
Er tevaute Fragen: Was bist du? Wo bist du? Was willst du? Warum wirst du Julie weh tun?
Gerade als Candy das tote Eichhörnchen wegwarf und aufstand, spürte er wieder diese Hand auf seinem Kopf. Er zuckte zusammen, drehte sich um und schlug wild mit beiden Fäusten in die Dunkelheit hinein.
Niemand war hinter ihm. Die beiden Katzen beobachteten ihn aus etwas sechs Meter Entfernung aus ihren strahlenden bernsteinfarbenen Augen. Das ganze Wild aus seiner unmittelbaren Nähe war geflohen. Wenn jemand ihn ausspionierte, dann mußte sich der Eindringling in dem Gebüsch weiter unten im Tal verbergen oder in einer der Nischen oben in den Felswänden. Er konnte aber niemals nahe genug sein, um ihn berührt zu haben.
Außerdem fühlte er die Hand immer noch. Er faßte auf seinen Kopf, erwartete, Blätter zu finden, die sich in seinen nassen Haaren verfangen hatten. Nichts.
Doch der Druck der Hand blieb, verstärkte sich sogar noch, und er war so deutlich, daß er die Umrisse von vier Fingern, einem Daumen und die Krümmung der Handfläche auf seiner Hirnschale spüren konnte.
Was... wo ... was ... warum ...?
Verärgert und verwirrt drehte Candy sich einmal um die eigene Achse.
Ein Kribbeln überlief ihn, ganz anders als alles, was er jemals erlebt hatte. Es war, als grübe sich etwas in sein Gehirn.
»Wer bist du?« fragte er laut.
Was... wo ... was ... warum ...?
»Wer bist du?«
Das böse Ding war ein Mann. Das wußte Thomas jetzt. Ein drinnen-scheußlicher-Mann und noch etwas anderes, aber doch zumindest teilweise ein Mann.
Das Bewußtsein des Bösen Dings war ein Wasserstrudel, schwärzer als schwarz. Es wirbelte wirklich sehr schnell, zog Thomas runter, runter, wollte ihn lebend verschlingen. Er versuchte, sich zu lösen, auszubrechen. Wegzuschwimmen. War nicht leicht. Das Böse Ding wollte ihn zu dem Ort des Grauens hinunterziehen, und er würde niemals in der Lage sein, wieder zurückzukehren. Er dachte, er sei erledigt. Doch seine Furcht vor dem Ort des Grauens, seine Furcht davor, irgendwo hinzugehen, wo Julie und Bobby ihn niemals finden würden, und wo er allein sein würde, war so groß, daß er sich schließlich losreißen und wieder in sein Zimmer in Cielo Vista zurückrollen konnte.
Er ließ sich auf die Matratze fallen und zog sich die Decke über den Kopf, um die Nacht vor dem Fenster nicht mehr sehen zu müssen, und damit nichts ihn sehen konnte, nichts, was da draußen in der Nacht war.
34
Walter Havalow, Mrs. Farns' noch lebender Bruder, der Erbe ihrer bescheidenen Hinterlassenschaft, lebte in einer besseren Gegend als die Phans. Er war reicher, wenn auch ärmer, was Höflichkeit und gute Manieren betraf. Sein Haus im englischen Tudor-Stil in Villa Park hatte Scheiben aus facettiertem Glas, gefüllt mit einem Licht, das Julie warm und verlockend fand. Havalow aber blieb in der Tür stehen und bat sie nicht mal herein, nachdem er die
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