orwell,_george_-_tage_in_burma
bevor sie sich wieder gegen ihn wandte. Als er an das Tor kam, kehrten die Sepoys mit ihren Gewehren zurück und schickten sich gerade an, Feuer zu geben.
»Der Sahib wird den Befehl geben!« keuchte der Subahdar. »Hier, du!« rief Flory dem Inspektor zu. »Kannst du
Hindostani sprechen?«
»Ja, Sir.«
»Dann sag ihnen, sie sollen hoch schießen, gerade über die Köpfe der Leute weg. Und vor allem sollen sie alle zugleich schießen. Sieh zu, daß sie das verstehen.«
Der dicke Inspektor, de ssen Hindustani noch schlechter war als Florys, erklärte das Verlangte, hauptsächlich durch Auf- und Abspringen und Gestikulieren. Die Sepoys legten ihre Gewehre an, es gab ein Dröhnen und von den Hügeln her ein donnerndes Echo. Einen Augenblick glaubte Flory, sie hätten seinem Befehl zuwidergehandelt, denn fast der ganze Teil der Menge, der ihnen am nächsten stand, war wie ein Schwaden Heu umgefallen. Sie hatte sich jedoch nur in Panik hingeworfen. Die Sepoys schossen eine zweite Salve, aber sie war nicht notwendig. Die Menge hatte sofort begonnen, von dem Club wegzuströmen wie ein Fluß, der seinen Lauf ändert. Sie strömten die Straße herunter, sahen die bewaffneten Männer, die ihnen den Weg versperrten, und versuchten sich zurückzuziehen, woraufhin ein neuer Kampf zwischen den vorderen und den hinteren Reihen entbrannte; schließlich quoll die ganze Menge auseinander und begann sich langsam über den Platz zu wälzen. Flory und die Sepoys bewegten sich langsam, der zurückflutenden Menge auf den Fersen, auf den Club zu. Die in der Menge untergegangenen Polizisten kehrten nun einzeln und zu zweien versprengt zurück. Ihre Pagris waren weg, und ihre Wickelgamaschen schleiften meterweise hinter ihnen her, aber sie hatten keinen schlimmeren Schaden davongetragen als blaue Flecke. Die Zivilpolizisten schleppten ein paar Gefangene mit. Als sie an das Clubgelände kamen, strömten die Burmanen noch immer heraus, eine endlose Kette von jungen Leuten, die anmutig wie ein Zug von Gazellen durch eine Lücke in der Hecke sprange n. Flory schien es dunkel zu werden. Eine kleine, weißgekleidete Gestalt löste sich von den letzten Reihen der Menge und taumelte schlaff in Florys Arme. Es war Dr. Veraswami mit abgerissenem Schlips und wunderbarerweise unzerbrochener Brille.
»Doktor!«
»Ach, mein Freund! Ach, ich bin ja so erschöpft!« »Was tun Sie hier? Waren Sie mitten in der Menge?« »Ich habe versucht, sie zurückzuhalten, mein Freund. Es war
hoffnungslos, bis Sie kamen. Aber wenigstens ein Mann trägt ein Zeichen davon, glaube ich!«
Er st reckte seine kleine Faust aus, damit Flory die verletzten Knöchel sehen konnte. Aber nun war es wirklich ganz dunkel. Im selben Augenblick hörte Flory hinter sich eine nasale Stimme.
»Nun, Mr. Flory, ist also alles schon vorbei. Nur ein Schlag ins Wasser wie üblich. Sie und ich zusammen waren ein bißchen zuviel für sie - haha.«
Es war U Po Kyin. Er kam in kriegerischer Aufmachung auf sie zu, in der Hand einen riesigen Knüppel und einen Revolver in seinem Gürtel. Seine Kleidung war ein sorgfältig ausgedachtes négligé - Unterhemd und Shan- Hosen - , als wäre er Hals über Kopf aus seinem Hause gestürzt. Er hatte sich verkrochen, bis die Gefahr vorüber war, und beeilte sich nun, an der Ehre teilzuhaben, die es allenfalls zu erlangen gab.
»Ein kluges Stück Arbeit, Sir!« sagte er begeistert. »Sehen Sie nur, wie sie den Abhang hinauf fliehen! Wir haben sie äußerst befriedigend vertrieben.«
»Wir!» keuchte der Doktor entrüstet.
»Ach, mein lieber Doktor! Ich habe gar nicht bemerkt, daß Sie hier sind! Ist es möglich, daß auch Sie an dem Kampf beteiligt waren? Sie haben Ihr kostbares Leben aufs Spiel gesetzt! Wer hätte das geglaubt?«
»Sie selber haben sich Zeit gelassen, hierher zu kommen!« sagte Flory wütend.
»Nun ja, Sir, es genügt, daß wir sie zerstreut haben. Obgleich«, fügte er mit einem Unterton von Befriedigung hinzu, denn Florys Ton war ihm nicht entgangen, »obgleich sie in Richtung der europäischen Häuser gehen, wie Sie bemerken werden. Ich stelle mir vor, daß sie auf den Gedanken kommen werden, unterwegs ein bißche n zu plündern.«
Man mußte die Unverschämtheit des Mannes bewundern. Er nahm seinen großen Knüppel unter den Arm und schlenderte in fast gönnerhafter Art neben Flory her, während der Doktor, wider Willen gedemütigt, zurückblieb. Am Clubtor blieben alle drei stehen. Es war jetzt außerordentlich dunkel, der
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