Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

orwell,_george_-_tage_in_burma

Titel: orwell,_george_-_tage_in_burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
Meilen kein einziger Aufstand getobt. Flory kroch an Land, kletterte über den Zaun und lief mit hängenden nassen Hosen schwerfällig über den mondhellen Exerzierplatz. Soweit er bei dem Lärm unterscheiden konnte, waren die Baracken ganz leer. In einigen Boxen zur Recht en stampften Verralls Pferde in panischer Angst. Flory rannte auf die Straße und sah, was geschehen war.
    Die ganze Polizeitruppe, Militär und Zivil, insgesamt etwa hundertfünfzig Mann, hatte, nur mit Knüppel bewaffnet, die Menge von hinten angegriffen. Sie waren völlig untergegangen. Die Menge war dicht, wie ein riesiger gärender rotierender Bienenschwarm, und überall waren Polizisten zu sehen, die hilflos zwischen burmanischen Horden eingekeilt waren und wütend, aber nutzlos kämpften, zu sehr eingepfercht, um ihre Knüppel auch nur zu heben. Menschenhaufen waren Laokoonartig in die Falten aufgerollter Pagris verwickelt. Fluchendes Gebrüll in drei oder vier Sprachen, Staubwolken und ein erstickender Gestank nach Schweiß und Ringelblumen - aber niemand schien ernstlich verletzt zu sein. Wahrscheinlich hatten die Burmanen keinen Gebrauch von ihren Dahs gemacht aus Angst, damit Gewehrfeuer zu provozieren. Flory drängte sich in die Menge hinein und wurde sofort wie die anderen verschlungen. Ein Meer von Körpern umdrängte ihn und warf ihn von einer Seite zur anderen, stieß ihn in die Rippen und drohte ihn mit seiner animalischen Hitze zu ersticken. Er kämpfte weiter mit dem Gefühl zu träumen, so absurd und unwirklich war die Situation. Der ganze Aufstand war von Anfang an lächerlich gewesen, und das Lächerlichste von allem war, daß die Burmanen, die ihn hätten töten können, nicht wußten, was sie mit ihm anfangen sollten, jetzt, wo er mitten unter ihnen war. Manche schrien ihm Beleidigungen ins Gesicht, manche beutelt en ihn und traten ihm auf die Füße, manche versuchten sogar, ihm, dem weißen Mann, Platz zu machen. Er wußte nicht genau, ob er um sein Leben kämpfte oder sich nur den Weg durch die Menge bahnte. Eine ganze Zeitlang war er eingequetscht, hilflos, seine Arme an die Seiten gepreßt, dann wieder rang er mit einem gedrungenen Burmanen, der viel stärker war, dann wälzte sich ein Dutzend Männer wie eine Woge ihm entgegen und drängte ihn tiefer ins Herz der Menge. Plötzlich fühlte er einen qualvollen Schmerz in seinem rechten großen Zeh - jemand in Stiefeln war darauf getreten. Es war der Subahdar der Militärpolizei, ein Rajput, sehr dick, mit Schnurrbart und ohne Pagri. Er packte einen Burmanen bei der Kehle und versuchte ihm das Gesicht zu zerschlagen, während der Schweiß von seinem bloßen, kahlen Kopf rollte. Flory warf den Arm um den Hals des Subahdars, und es gelang ihm, ihn von seinem Gegner wegzureißen und ihm ins Ohr zu brüllen. Sein Urdu ließ ihn im Stich, und er brüllte auf burmanisch:
    »Warum gebt ihr nicht Feuer?«
    Eine lange Weile konnte er die Antwort des Mannes nicht hören. Dann verstand er ihn:
    »Hukm ne aya« - »Ich habe keinen Befehl.« »Idiot!«
    In diesem Augenblick wurde ein anderer Haufen Männer ihnen entgegengetrieben, und für ein paar Minuten waren sie eingeklemmt und unfähig, sich zu bewegen. Flory merkte, daß der Subahdar eine Pfeife in der Tasche hatte und sie herauszuholen versuchte. Schließlich bekam er sie zu fassen und stieß ein Dutzend durchdringende Pfiffe aus, aber es war nicht zu hoffen, daß er Männer zusammentrommeln konnte, solange sie nicht einen freien Platz fanden. Es war eine fürchterliche Anstrengung, sich aus der Menge herauszukämpfen - es war, als ob man bis zum Hals durch ein zähflüssiges Meer waten müsse. Zeitweise waren Florys Glieder so erschöpft, daß er untätig stehenblieb, sich von der Menge halten und sogar zurücktreiben ließ. Schließlich, mehr durch das natürliche Wirbeln der Menge als durch eigene Unternehmung, fand er sich ins Freie hinausgeschleudert. Auch der Subahdar war herausgekommen, ferner zehn bis fünfzehn Sepoys und ein burmanischer Polizeiinspektor. Die meisten Sepoys fielen vor Müdigkeit beinahe um, ließen sich aufs Gesäß nieder oder hinkten, weil man ihnen auf die Füße getreten hatte.
    »Kommt, aufstehen! Rennt, so schnell ihr könnt, zu den Baracken. Holt euch Gewehre und jeder einen Streifen Munition.«
    Er war zu überwältigt, um auch nur burmanisch zu sprechen, aber die Männer verstanden ihn und latschten schwerfällig zu den Polizeibaracken. Flory folgte ihnen, um sich von der Menge zu entfernen,

Weitere Kostenlose Bücher