orwell,_george_-_tage_in_burma
mein Aufstieg. Je schwärzer ich ihn malen kann, um so rühmlicher wird mein eigenes Verhalten erscheinen. Verstehst du jetzt?«
»Ja, ich verstehe sehr wohl. Und ich finde, es ist ein gemeiner, böser Plan. Mich wundert, daß du dich nicht schämst, mir davon zu erzählen.«
»Aber Kin Kin! Du wirst doch jetzt nicht wieder mit diesem Unsinn anfangen?«
»Ko Po Kyin, wie kommt es, daß du nur glücklich bist, wenn du Schändlichkeiten begehst? Wie kommt es, daß alles, was du tust, anderen Leuten Schaden bringen muß? Denk doch an den armen Doktor, der aus seiner Stellung entla ssen werden wird, oder an diese Bauern, die erschossen oder ausgepeitscht oder fürs Leben ins Gefängnis gesperrt werden? Ist es notwendig, solche Dinge zu tun? Wozu brauchst du mehr Geld, wo du doch schon reich bist?«
»Geld! Wer redet von Geld? Eines Tages, Weib, wirst du merken, daß es auf der Welt noch andere Dinge als Geld gibt. Ruhm zum Beispiel. Größe. Ist dir klar, daß der Gouverneur von Burma höchstwahrscheinlich mir eigenhändig einen Orden an die Brust heften wird für mein loyales Verhalten in dieser Angelegenheit? Würdest nicht sogar du auf eine solche Ehrung stolz sein?«
Ma Kin schüttelte unbeeindruckt den Kopf. »Wann wirst du daran denken, Ko Po Kyin, daß du nicht tausend Jahre leben wirst? Bedenke, was aus denen wird, die ein schlechtes Leben geführt haben. Zum Beispiel kann man als Ratte oder Frosch wiedergeboren werden. Auch gibt es eine Hölle. Ich erinnere mich an das, was ein Priester mir einmal über die Hölle gesagt hat, etwas was er aus den Palischriften übersetzt hatte, und es war ganz schr ecklich. Er hat gesagt: ›Einmal in tausend Jahrhunderten werden zwei rotglühende Speere in deinem Herzen zusammentreffen, und du wirst dir sagen: Wieder sind tausend Jahrhunderte meiner Qual zu Ende, und noch ebenso viel wird kommen, wie ich bisher erlitte n habe.‹ Ist es nicht furchtbar, an solche Dinge zu denken, Ko Po Kyin?«
U Po Kyin lachte und machte eine sorglose Handbewegung, die ›Pagoden‹bedeuten sollte.
»Nun, ich hoffe, daß du noch lachen kannst, wenn das Ende kommt. Aber was mich angeht, so würde ich nicht gern auf so ein Leben zurückblicken.«
Die magere Schulter U Po Kyin mißbilligend zugewandt, zündete sie ihre Zigarre wieder an, während er noch mehrmals im Zimmer auf und ab ging. Als er sprach, klang es ernster als zuvor und sogar ein wenig verschüchtert.
»Weißt du, Kin Kin, hinter alledem steckt noch etwas anderes. Etwas, was ich weder dir noch sonst jemand erzählt habe. Selbst Ba Sein weiß es nicht. Aber ich glaube, jetzt werde ich es dir sagen.«
»Ich will es nicht hören, wenn es nur noch mehr Schlechtigkeit ist.«
»Nein, nein. Du hast mich eben gefragt, welches mein wirkliches Ziel in dieser Angelegenheit ist. Du glaubst vielleicht, daß ich Veraswami nur darum ruiniere, weil ich ihn nicht leiden kann und seine Ideen über Bestechung mir lästig sind. Es ist nicht nur das. Da ist noch etwas anderes, viel Wichtigeres, und das geht dich ebenso an wie mich.«
»Was ist es?«
»Hast du, Kin Kin, nie in dir den Wunsch nach etwas Höherem gefühlt? Ist dir nie eingefallen, daß wir nach all unseren Erfolgen - all meinen Erfolgen, sollte ich sagen - fast in derselben Stellung sind wie damals, als wir anfingen? Ich bin, kann ich wohl sagen, Zweihunderttausend Rupien schwer, und nun sieh dir mal an, in welchem Stil wir leben! Sieh dir dies Zimmer an! Es ist bestimmt nicht besser als das eines Bauern. Ich habe es satt, mit den Fingern zu essen und nur mit Burmanen zu verkehren armen, niederen Leuten - und sozusagen wie ein jämmerlicher Gemeindebeamter zu leben. Geld ist nicht genug; ich möchte auch das Gefühl haben, daß ich in der Welt aufgestiegen bin. Hast du nicht manchmal den Wunsch nach einer Lebensweise, die ein bißchen - wie soll ich es sagen - vornehmer ist?«
»Ich weiß nicht, wie wir uns mehr wünschen könnten, als wir schon haben. Als ich ein Mädchen in meinem Dorf war, habe ich nie gedacht, daß ich in solch einem Haus wie diesem wohnen würde. Sieh dir diese englischen Stühle an - ich habe nie in meinem Leben in einem von ihnen gesessen. Aber es macht mich sehr stolz, sie anzusehen und zu denken, daß sie mir gehö ren.«
»Tsch! Warum bist du je von deinem Dorf weggegangen, Kin Kin? Du bist nur dazu geeignet, mit einem steinernen Wasserkrug auf dem Kopf am Brunnen zu stehen und zu klatschen. Aber ich bin ehrgeiziger, Gott sei gelobt! Und nun will
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