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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Ländern verfolgten ähnliche Denkrichtungen, sagte Crake, sie entwickelten ihre eigenen Prototypen, so dass die Population in der Glaskuppel ultrageheim war.
    Schweigepflicht, nur interne E-Mails über geschlossene Systeme, außer man hatte eine Sondergenehmigung. Wohnstätten im Sicherheitsbereich, aber außerhalb der Luftschleuse. Dies würde die Infektionsrisiken verringern, falls Mitarbeiter erkrankten; die Paradice-Modelle hätten verstärkte Immunsystemfunktionen, und somit sei die Wahrscheinlichkeit, dass sich ansteckende Krankheiten unter ihnen ausbreiten könnten, gering.
    Es sei niemandem gestattet, den Komplex zu verlassen. Oder fast niemandem. Crake dürfe natürlich raus. Er sei die Verbindung zwischen Paradice und den führenden Rejoov-Leuten. Er habe sie noch nicht hereingelassen, er lasse sie zappeln. Sie waren von der gierigen Sorte, nervös hinsichtlich ihrer Investitionen; sie wollten loslegen, wollten zu früh mit der Vermarktung anfangen. Außerdem würden sie zu viel reden, die Konkurrenz auf die Spur bringen. Das seien alles Angeber, diese Typen.
    »Also, jetzt wo ich da bin, kann ich nie mehr raus?«, sagte Jimmy.
    »Davon hast du mir nichts gesagt.«
    »Du wirst eine Ausnahme sein«, sagte Crake. »Niemand wird dich für das, was in deinem Schädel steckt, entführen. Du machst nur die Werbung, schon vergessen?« Aber der Rest des Teams, sagte er – das MaddAddam-Kontingent –, sei für die Laufzeit an den Standort gebunden.
    »Die Laufzeit?«
    »Bis wir an die Öffentlichkeit gehen«, sagte Crake. Sehr bald werde RejoovenEsense die diversen Angebote auf den Markt bringen. Sie würden in der Lage sein, absolute Wunschkinder zu schaffen, die jedes beliebige Merkmal, sei es körperlich oder geistig oder seelisch, das der Käufer haben wollte, in sich vereinigten. Die aktuellen Methoden im Angebot seien noch ziemlich unzuverlässig, sagte Crake: Bestimmte Erbkrankheiten könnten ausgeschlossen werden, klar, aber abgesehen davon gebe es auch viel Ausschuss, viel Abfall. Die Kunden wüssten nie, ob sie genau das bekämen, wofür sie bezahlt hätten; es gebe noch zu viele unbeabsichtigte Folgen.
    Aber mit der Paradice-Methode würde man eine Genauigkeit von neunundneunzig Prozent erreichen. Ganze Populationen ließen sich schaffen, die vorbestimmte Charakteristika aufwiesen. Schönheit, natürlich; da werde die Nachfrage groß sein. Und Fügsamkeit: Politiker von Weltrang hätten ihr Interesse daran ausgedrückt. Paradice habe bereits eine UV-resistente Haut entwickelt, ein eingebautes Insektenschutzmittel, eine nie da gewesene Fähigkeit, unverarbeitetes Pflanzenmaterial zu verdauen. Was die Immunität gegen Mikroben anging, so würde das, was man bisher mit Medikamenten bewirkt hatte, bald angeboren sein.
    Verglichen mit dem Paradice-Projekt sei selbst die BlyssPluss-Pille ein primitives Werkzeug, wenn sie auch eine lukrative Übergangslösung darstelle. Langfristig gesehen aber würde der kombinierte Nutzen von beidem für die Menschen der Zukunft enorm sein. Sie seien unauflöslich miteinander verbunden – die Pille und das Projekt. Die Pille würde der willkürlichen und zufälligen Fortpflanzung ein Ende bereiten, das Projekt würde sie durch eine überlegene Methode ersetzen.
    Sie stellten zwei Phasen eines einzigen Planes dar, könne man sagen.

    Es sei verblüffend – sagte Crake –, welche einst unvorstellbaren Dinge das Team hier zu Stande gebracht habe. Was man verändert habe, sei nichts weniger als das alte Primatenhirn. Seine destruktiven Merkmale waren verschwunden, jene Merkmale, die für die gegenwärtigen Übel der Welt verantwortlich waren. Zum Beispiel der Rassismus – oder, wie man es in Paradice bezeichnete, die Pseudoartbildung – war in der Modellgruppe eliminiert worden, indem man einfach den Bindungsmechanismus vertauscht hatte: Die Paradice-Menschen nahmen Hautfarbe einfach nicht wahr. Hierarchien könnten unter ihnen nicht existieren, weil ihnen die Neurokomplexe fehlten, die diese erzeugten. Weil sie weder Jäger noch Landwirte waren, gab es kein territoriales Denken: Die Herr-oder-Knecht-Verdrahtung, die die Menschheit so lange geplagt hatte, war aufgelöst worden. Sie aßen nichts als Blätter und Gras und die eine oder andere Beere; auf die Weise waren Nahrungsmittel reichhaltig und immer verfügbar. Ihre Sexualität war keine ständige Plage für sie, keine Wolke turbulenter Hormone: Sie wurden in regelmäßigen Abständen brünstig, so wie die meisten

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