Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
Vom Netzwerk:
Gegengift zu Oryx.
    Er fummelte an seiner Aufgabe herum: Sie stellte keine große Herausforderung dar. Die BlyssPluss-Pille würde sich von selbst verkaufen, die brauchte seine Hilfe nicht. Aber die offizielle Markteinführung kam mit Riesenschritten näher, also ließ er seine Mitarbeiter ein paar Filme machen, ein paar einprägsame Slogans entwerfen: Wirf deine Kondome weg! BlyssPluss, die totale Körpererfahrung! Wenn du lebst – leb total! Der Spot eines Mannes und einer Frau, die sich die Kleider vom Leib rissen und wie besessen grinsten. Dann ein Mann mit einem Mann. Dann eine Frau mit einer Frau, da konnte man auf den Spruch mit den Kondomen verzichten.
    Dann ein Dreier. So was konnte er im Schlaf.
    Wenn er schlafen konnte, hieß das. Nachts lag er wach, haderte mit sich selbst, beklagte sein Schicksal. Hadern, beklagen, nützliche Worte.
    Trübsal. Herzenskummer. Liebste. Entsagung. Anmut.

    Aber dann verführte ihn Oryx. Wie hätte man es sonst nennen sollen?
    Sie kam in seine Suite, kam einfach reinmarschiert, sie hatte ihn in genau zwei Minuten aus seiner Schale. Er kam sich vor wie zwölf. Sie hatte eindeutig Übung dann und war so locker bei diesem ersten Mal, dass es ihm den Atem verschlug.
    »Ich konnte nicht mehr mit ansehen, wie unglücklich du bist, Jimmy«, war ihre Erklärung. »Nicht meinetwegen.«
    »Wie hast du gemerkt, dass ich unglücklich war?«
    »Ach, so was merk ich immer.«
    »Was ist mit Crake?«, sagte er, nachdem sie ihn das erste Mal genommen, aufs Kreuz gelegt, überwältigt hatte.
    »Du bist Crakes Freund. Er würde nicht wollen, dass du unglücklich bist.«
    Jimmy war sich da nicht so sicher, aber er sagte: »Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache.«
    »Was willst du damit sagen, Jimmy?«
    »Bist du nicht – ist er nicht…« Wie unbeholfen er war!
    »Crake lebt in einer höheren Welt, Jimmy«, sagte sie. »Er lebt in der Welt der Ideen. Er ist mit wichtigen Dingen beschäftigt. Er hat keine Zeit zum Spielen. Und überhaupt, Crake ist mein Boss. Du bist für den Spaß da.«
    »Ja, aber…«
    »Crake wird nichts erfahren.«

    Und es schien wahr zu sein, Crake wusste von nichts. Vielleicht war er zu sehr von ihr verzaubert, um etwas zu merken; oder, dachte Jimmy, vielleicht war Liebe wirklich blind. Blendend. Und Crake liebte Oryx, da bestand kein Zweifel. Er war fast demütig ihr gegenüber. Er berührte sie sogar in aller Öffentlichkeit. Crake war nie jemand gewesen, der andere berührte, er war immer körperlich distanziert gewesen, aber jetzt legte er gerne seine Hand auf Oryx: auf ihre Schulter, ihren Arm, um ihre schmale Taille, auf ihren perfekten Po. Mein, mein, sagte die Hand.
    Außerdem schien er ihr zu vertrauen, vielleicht mehr, als er Jimmy vertraute. Sie war eine versierte Geschäftsfrau, sagte er. Er hatte ihr einen Teil der BlyssPluss-Probeläufe anvertraut: Sie hatte nützliche Kontakte in Plebsland durch ihre alten Freundinnen, die mit ihr beim Studentenservice gearbeitet hatten. Aus diesem Grund musste sie viel reisen, hierhin und dorthin in der ganzen Welt. Sexkliniken, sagte Crake. Bordelle, sagte Oryx: Wer wäre besser geeignet, die Tests zu machen?
    »Solange du keine Tests an dir selbst machst«, sagte Jimmy.
    »Oh nein, Jimmy. Crake hat gesagt, das darf ich nicht.«
    »Tust du immer, was Crake dir sagt?«
    »Er ist mein Boss.«
    »Hat er dir gesagt, das hier zu tun?«
    Große Augen. »Was zu tun, Jimmy?«
    »Was du jetzt machst.«
    »Ach Jimmy. Immer machst du Witze.«

    Die Zeiten, in denen sie nicht da war, waren hart für Jimmy. Er machte sich Sorgen um sie, er sehnte sich nach ihr, er trug ihr nach, dass sie nicht da war. Wenn sie von einer ihrer Reisen zurückkam, tauchte sie mitten in der Nacht in seinem Zimmer auf: Das gelang ihr, ganz egal, was Crake geplant haben mochte. Als Erstes erstattete sie Crake Bericht, gab ihm einen Abriss ihrer Tätigkeiten und ihres Erfolges – wie viele BlyssPluss-Pillen sie wo platziert hatte, welche Ergebnisse vorlagen: bis in die Details, denn er war wie besessen. Dann kümmerte sie sich um das, was sie den persönlichen Bereich nannte.
    Crakes sexuelle Bedürfnisse waren direkt und einfach, nach Oryx’
    Aussage; nicht spannend wie der Sex mit Jimmy. Kein Spaß, nur Arbeit
    – auch wenn sie Crake achtete, und sie achtete ihn wirklich, denn er war brillant, ein Genie. Aber wenn Crake wollte, dass sie in einer x-beliebigen Nacht länger blieb, vielleicht noch mal Sex verlangte, brachte sie eine Entschuldigung

Weitere Kostenlose Bücher