Oryx und Crake
verschiedene Sorten Antibiotika, in Pillenform und daher mit verzögerter Wirkung, sowie eine letzte Flasche mit Crakes superkeimtötender, kurzzeitiger Plebsland-Mischung. Bringt dich heil hin und zurück, aber bleib nicht, bis die Uhr Mitternacht schlägt, oder du verwandelst dich in einen Kürbis, sagte Crake immer. Er liest das Etikett durch, Crakes präzise Anmerkungen, schätzt die Dosierung. Er ist inzwischen so schwach, dass er kaum die Flasche heben kann; er braucht eine Weile, um den Deckel abzunehmen.
Gluck gluck gluck, heißt es in seiner Sprechblase. Runter damit.
Aber nein, er darf das nicht trinken. Er findet eine Schachtel mit sauberen Spritzen und spritzt sich selbst. »Beißt ins Gras, Fußkeime«, sagt er. Dann humpelt er in seine eigene Suite, was früher mal seine Suite war, und bricht auf seinem klammen ungemachten Bett zusammen und dämmert weg.
Alex der Papagei erscheint ihm im Traum. Er kommt durch das Fenster geflogen, landet dicht neben ihm auf dem Kissen, diesmal leuchtend grün mit lila Flügeln und gelbem Schnabel, der wie ein Leuchtturm glüht, und Schneemensch ertrinkt in Glück und Liebe. Alex legt den Kopf schief, schaut ihn erst mit einem, dann dem anderen Auge an.
»Das blaue Dreieck«, sagt er. Dann beginnt er zu erröten, rot anzulaufen, angefangen beim Auge. Die Veränderung ist erschreckend, als ob es sich um eine papageienförmige Glühbirne handelte, die sich mit Blut füllt. »Ich geh jetzt fort«, sagt er.
»Nein, warte«, ruft Schneemensch oder er möchte es rufen. Sein Mund bewegt sich nicht. »Geh noch nicht! Sag mir…«
Dann kommt ein Windstoß, wusch, und Alex ist weg, und Schneemensch setzt sich in seinem früheren Bett auf, im Dunkeln, in Schweiß gebadet.
Gekritzel
Am nächsten Morgen ist sein Fuß etwas besser. Die Schwellung ist zurückgegangen, der Schmerz hat nachgelassen. Wenn der Abend kommt, wird er sich eine weitere Injektion von Crakes Supermedizin geben. Er weiß allerdings, er darf es nicht übertreiben: Das Zeug ist sehr stark. Zu viel davon und seine Zellen platzen wie Trauben.
Tageslicht sickert durch die Isolierungsglasbausteine, die den Schacht des Oberlichtes begrenzen. Er streift durch die Räume, die er einst bewohnte, und fühlt sich wie ein Sensor ohne Körper. Hier ist sein Schrank, hier hängen die Kleider, die mal seine waren, leichte tropische Hemden und Shorts, sauber auf Bügeln angeordnet und im Begriff zu vermodern. Auch Schuhe, aber er erträgt nicht mal mehr den Gedanken an Schuhe. Es wäre, als legte man sich Hufe an, außerdem würde sem entzündeter Fuß nicht hineinpassen. Ganze Stapel von Unterhosen auf den Regalen. Warum hat er je so was getragen? Sie kommen ihm inzwischen vor wie irgendeine seltsame Art von Masochismus-Klamotten.
In der Vorratskammer findet er einige Packungen und Dosen. Zum Frühstück isst er kalte Ravioli mit Tomatensauce und einen halben Kraftriegel, runtergespült mit warmer Cola. Kein Schnaps oder Bier mehr da, die hat er während der Wochen, die er sich hier verschanzt hatte, alle gemacht. Auch gut. Sonst hätte er es runtergestürzt, um seine Erinnerungen in ein statisches Rauschen zu verwandeln.
Darauf besteht jetzt keine Hoffnung. Er steckt in der vergangenen Zeit, der nasse Sand steigt. Er versinkt.
Nachdem er Crake erschossen hatte, gab er eine neue Kombination für die innere Tür ein, verschloss sie. Crake und Oryx lagen ineinander verschlungen in der Luftschleuse; er hätte es nicht ertragen, sie zu berühren, also hatte er sie gelassen, wo sie waren. Er hatte eine flüchtige romantische Regung – vielleicht sollte er ein Stück von Oryx’ dunklem Zopf abschneiden –, aber er widerstand dem.
Er kehrte in sein Zimmer zurück und trank etwas Scotch und dann noch ein bisschen mehr, so viel es brauchte, um sich selbst außer Gefecht zu setzen. Was ihn wieder aufweckte, war der Summer der äußeren Tür: White Sedge und Black Rhino versuchten hereinzukommen. Die anderen zweifellos auch. Jimmy beachtete sie nicht.
Irgendwann am nächsten Tag machte er sich vier Scheiben Sojatoast, zwang sich, sie zu essen. Trank eine Flasche Wasser. Sein ganzer Körper fühlte sich an wie ein angestoßener Zeh: taub, aber auch schmerzend.
Tagsüber klingelte sein Mobiltelefon. Ein hochrangiger Corps-Mann, der Crake suchte.
»Sagen Sie dem Wichser, er soll sein dickes fettes Hirn verdammt noch mal hier rüberbewegen und uns helfen, diese Sache in den Griff zu kriegen.«
»Er ist nicht da«, sagte
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