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Oscar

Oscar

Titel: Oscar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Dosa
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war.
    Selbst Oscar schien von dem Durchhaltevermögen meiner Mutter ein wenig verwirrt zu sein. Die ganze Zeit über war er ab und zu ins Zimmer gekommen, aber immer wieder bald verschwunden. Allerdings kam er mir seit einer Weile etwas entschlossener vor.«
    Cyndy schwieg und sah mich an.
    »Wissen Sie, Dr.Dosa, zuerst hatten mich seine Besuche ein wenig geängstigt«, fuhr sie nach einer Weile fort. »Schließlich wusste ich, was man sich über ihn erzählte. Ich habe sogar geträumt, er würde auf dem Bett meiner Mutter sitzen. Richtige Alpträume waren das gewesen, aus denen ich merkwürdigerweise immer zur selben Zeit erwacht bin, um drei Uhr morgens. Sehr seltsam war das.
    In der ersten Woche, die ich bei meiner Mutter verbracht habe, kam Oscar ab und zu an die halb offene Tür, blieb auf der Schwelle stehen und spähte herein. Jedes Mal bekam ich Angst, er würde hereinkommen.«
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Nach einer Weile habe ich dann gemerkt, dass meine Ängste unbegründet waren. Schließlich war er kein Unheil bringendes Wesen, sondern ein gewöhnlicher Kater, und meine Mutter hatte Katzen sehr gern gehabt. Das war sogar ein Grund gewesen, warum ich mich gerade für Ihr Heim entschieden hatte, und tatsächlich hatte sie Freude an den Tieren dort.
    Nachdem ich mich an Oscar gewöhnt hatte, empfand ich ihn überhaupt nicht mehr als bedrohlich. Im Gegenteil, er hat mir Gesellschaft geleistet, was ich dringend nötig hatte. Zwar haben viele Leute besorgt angerufen und sich nach meiner Mutter erkundigt, aber nur zwei von ihnen kamen zu Besuch. Man kommt eben nicht gern in ein Pflegeheim, es sei denn, um zu sterben – das findet man zu gruselig. Oscar hat das natürlich nicht gestört, er wusste anscheinend sogar, wann ich ihn am meisten brauchte.
    Als er das erste Mal richtig ins Zimmer kam, ging er zuerst zum Bett meiner Mutter. Ich hielt den Atem an, aber statt hinaufzuspringen, hat er sich zu
mir
umgewandt. Ist das nicht unglaublich? Und als ich mich gebückt habe, um ihn zu streicheln, hat er zufrieden geschnurrt.«
    Das passt zu ihm, dachte ich.
    »Dann stand er wieder auf, sprang aufs Fensterbrett und hat sich dort in der klassischen Sphinx-Pose niedergelassen. Sie wissen doch, was ich meine, Dr.Dosa?«
    »Ja, natürlich«, sagte ich. Diese Pose kannte ich sehr gut. Sie kam mir gleichermaßen hoheitsvoll und rätselhaft vor, so als wäre Oscar ein Tempelwächter wie seine Vorfahren im alten Ägypten.
    »Tja, ab da hat er viel Zeit auf diesem Fensterbrett verbracht, wie um die Welt drinnen und draußen im Blick zu haben. Manchmal, wenn ich weg gewesen war, traf ich ihn auf dem Flur. Dann ist er hinter mir ins Zimmer gehuscht und dageblieben.
    Ich habe mich wirklich an den kleinen Kerl gewöhnt. Bald fand ich seine Anwesenheit sehr tröstlich. Und wenn ich Angstgefühle bekam, was oft der Fall war, habe ich Oscar laut davon erzählt, als könnte er mich verstehen. Musste ich kurz aus dem Zimmer gehen, blieb er bei meiner Mutter.
    Eines Tages kam er wieder direkt auf mich zu und hat sich vor mich hingehockt. Da habe ich ihn hochgenommen und mir auf den Schoß gesetzt. Ich habe ihm sanft den Bauch gekrault, während wir gemeinsam meine Mutter betrachteten. Nach einer Weile ist er von meinem Schoß auf den Boden und dann gleich aufs Bett gesprungen. Ich weiß, es klingt merkwürdig, aber dort hat er kurz die Nase in die Luft gehoben, um zu schnuppern, bevor er sich auf den Rücken gedreht und so richtig katzenhaft gestreckt hat. Hübsch sah das aus. Dabei hatte er den Blick so intensiv auf meine Mutter gerichtet, dass ich dachte, ob das wohl sein Zeichen ist. Ich habe ihn sogar laut gefragt: ›Ist es nun bald so weit?‹«
    Diese Frage hatte Cyndy ihm womöglich nicht als Erste gestellt.
    »Wissen Sie, Dr.Dosa, während ich bei meiner Mutter saß, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken, und ich habe mich gefragt, was für Gefühle ich wohl haben würde, wenn sie schließlich starb. Während ihrer langen Krankheit habe ich so viele Schuldgefühle empfunden, dass ich mich schon daran gewöhnt hatte. Warum hatte ich die Erkrankung nicht früher bemerkt? War es wirklich richtig gewesen, sie ins Pflegeheim zu geben? Solche Fragen haben mich ständig gequält, denn so viel ich auch für meine Mutter getan habe, es gab anscheinend immer noch mehr, was zu tun war und doch ungetan blieb.«
    Wieder schwieg Cyndy, diesmal ziemlich lange, und ich hatte den Eindruck, als wüsste sie nicht recht, ob sie lachen

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