Osterfeuer (German Edition)
gehörte, die Atmosphäre etwas auf.
Neben beruflichen Interessen verband ihn mit Steffen eine Begeisterung für alles
Italienische, sei es Land, Leute, Kultur und vor allem die Neigung für alles Kulinarische,
nicht nur aus Italien. Während er, Georg, jedoch eher undogmatisch und improvisiert
in der Küche wirkte, bewunderte er seinen Freund als einen wahren Kochkünstler,
der es mit jedem Sterneprofi hätte aufnehmen können.
Steffen hegte eine unerklärliche
Vorliebe für gepflegte Gespräche mit älteren Damen, ja er gab in gewisser Weise
bühnenreife Vorstellungen in kultiviertem Klatsch und Tratsch, was ihn in den entsprechenden
Kreisen ausgesprochen beliebt machte. Schon kurz nach dessen Eintreffen hatte seine
Schwiegermutter Johanna den Freund mit Beschlag belegt und fragte seine Meinung
zu den unterschiedlichsten lokalen bis internationalen Themen ab. Als Rechtsmediziner
im Besitz eines Doktortitels und mit dem klangvollen Namen Steffen von Schmidt-Elm
ausgestattet, als Antiquitätenkenner und Kunstfreund, Mitglied eines viel gerühmten
Laienensembles für alte Musik, in dem er Cello spielte, war der von Johanna so bezeichnete
ewige Junggeselle für würdig befunden worden, in ihren Kreisen verkehren zu dürfen,
ohne durch Geburt zur alteingesessenen Lübecker Gesellschaft zu gehören. Was sie
nicht wusste und was Georg auf Anraten seiner Frau auch nicht erklärte, war, dass
die Ehelosigkeit seines Freundes in dessen Homosexualität gründete. Steffen fand,
seine sexuelle Orientierung ginge niemand was an. Er machte daraus kein Geheimnis,
trug aber sein Schwulsein nicht wie eine Regenbogenflagge vor sich her. Insgeheim
feixte Georg sich eins, wenn er sich angesichts dieser Offenbarung das entsetzte
Gesicht seiner bourgeois engstirnigen Schwiegermutter vorstellte.
Johanna stammte aus einer angesehenen
Kaufmannsfamilie und hatte aus Liebe, wie sie nicht müde wurde zu betonen, manch
gute Partie ausgeschlagen, um ihren Heini zu heiraten, der damals »nur« bescheidener
Angestellter in einer Baufirma war. Immerhin brachte er es im Lauf der Jahre zum
Teilhaber an dem kleinen Unternehmen und Georg konnte sich lebhaft vorstellen, dass
Johanna nicht Rast noch Ruh gefunden hatte, ehe ihr Mann sich eine Position erarbeitet
hatte, die ihr angemessen schien, um einen Platz in den ihr so wichtigen Kreisen
der Stadt zu beanspruchen. Immerhin war sie eine geborene ›Tiedemann‹ und das schien
in Lübschen Maßstäben gerechnet mindestens so bedeutungsvoll wie Mitglied einer
Mayflowerfamilie in den Vereinigten Staaten zu sein.
Sie versuchte gerade, Steffen eine
eindeutige Stellungnahme zum Thema Jugendzentrum und Drogen zu entlocken und reagierte
auf seine liberalen Aussagen ungewohnt zurückhaltend. Wie sie so aufmerksam plaudernd
dasaß, munter und frisch, sah man ihr ihre fünfundsiebzig Jahre wahrlich nicht an.
Johanna war ein zierliches Persönchen mit blond gefärbtem weißen Haar, das von einem
unsichtbaren Haarnetz perfekt in Form gehalten wurde, und wenn sie jemand für wert
fand, konnte sie immer noch einen mädchenhaften Charme an den Tag legen. Georg wurde
diese Ehre nur äußerst selten zuteil, doch der gut aussehende Steffen, die schlanke
Figur in einen eleganten, gelben Cashmerepulli und graue Flanellhose gekleidet,
rief mit seiner wohlerzogenen aber humorvollen Art wahre Kaskaden ihres perlenden
Lachens hervor, das ihrer Aussage nach in ihrer Jugend in ganz Lübeck bekannt und
beliebt war. Mit seiner inzwischen etwas barocken Statur, den nicht in eine ordentliche
Form zu zwingenden, braunen Locken und dem dichten Vollbart war Georg sich bewusst,
in keinster Weise dem männlichen Schönheitsideal seiner Schwiegermutter zu entsprechen.
Daran änderte auch das weiße Hemd nichts, das er zur Feier des Tages zur Jeans trug.
Dass darauf inzwischen ein gelber Fleck prangte, der von der köstlichen Tunke herrührte,
die er eigens für seinen berühmten Graved Lachs produziert hatte, war ihm entgangen.
»Verzeihen Sie, wenn ich unser hochinteressantes
Gespräch für einen Augenblick unterbreche, gnädige Frau?«
Steffen war ganz in seinem Element
und bester Laune.
»Ich muss meinem Freund ein Kompliment
für dieses ausgesprochen gelungene Festtagsfrühstück machen. Du hast dir ja wieder
eine Mühe gemacht, Georg! Aber wirklich: Gelungen und köstlich wie immer! Nicht
wahr, Frau Dittmer?«
»Aber ja«, stimmte Johanna fein
lächelnd zu, »mit Kochen und Essen kennt mein Schwiegersohn sich hervorragend
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