Osterfeuer (German Edition)
aus.
Das ist nicht zu übersehen … du hast da was auf deinem Hemd, Georg.«
Georg versuchte die Häme in den
Worten seiner Schwiegermutter zu ignorieren, was ihm jedoch, wie so oft, auch diesmal
misslang. Diese Frau verstand es, ihm immer wieder deutlich die Missbilligung seiner
Person zu zeigen, sei es in Bezug auf sein Aussehen, sein Benehmen, seinen Beruf,
einfach in jeder Beziehung. Was ging es sie an, dass er ein paar Kilo zugelegt hatte
in der letzten Zeit? Unkonzentriert und ohne viel Erfolg versuchte er mit dem Zeigefinger
die gelbe Tunkenspur von seinem Hemd zu kratzen. Um sich von seinem Ärger über Johanna
abzulenken fragte er in die Runde, ob er denn jetzt ein Gläschen Sekt oder etwas
anderes anbieten dürfe. Heini, der neben seiner lebhaften Frau eher stumm vor sich
hingedöst hatte, wurde plötzlich munter. Ein unangenehmer Pfeifton ertönte. Er konnte
sein hochmodernes, neues Hörgerät immer noch nicht richtig bedienen, besonders,
wenn er sich in einer größeren Gesellschaft befand.
»Hättest du wohl mal ’ne Buddel
von deinem dunklen Spezialbier für deinen Schwiegervater, Georg? Nich zu kalt, wenn
es geht.«
»Aber klar, Heini! Kommt sofort!
Möchte noch jemand?«
Indigniert hatte Johanna die Brauen
gehoben und ihrem Mann einen strafenden Blick gesandt, doch der ließ sich davon
nicht beeindrucken. Er war achtzig und eigentlich das, was man einen stattlichen
Herrn nannte. Durch seine Schwerhörigkeit und da er durch ein Hüftleiden auf einen
Stock angewiesen war, wirkte er aber bei weitem nicht so fit wie seine Frau. Doch
er hatte nach wie vor einen klaren Geist und ließ keine Gelegenheit aus, zu feiern
und »einen zu nehmen«, wie er das nannte. Nach Astrid war er für Georg das liebste
Mitglied der Familie Dittmer, doch Heini hatte in dieser erdrückenden Frauenüberzahl
noch nie viel zu sagen gehabt.
Als Georg mit den Getränken aus
der Küche zurückkam, widmete sich ein Teil der Tischgesellschaft der Kommentierung
eines Kriminalfalls, der in den letzten Wochen die Stadt in Atem gehalten hatte.
Sigrid und Gudrun, die beiden älteren Schwestern von Astrid, überboten sich gegenseitig
in der Schilderung gruseliger Details, natürlich immer mit dem gebotenen, damenhaften
Entsetzen.
In den Augen ihrer Mutter hatten
wenigstens diese beiden Töchter den Sprung in die bessere Gesellschaft geschafft:
Sigrids Mann Jochen war Zahnarzt und ermöglichte es seiner Frau, zu Hause zu bleiben
und sich auf Haushalt, Kinder und Geldausgeben zu konzentrieren. Gudrun hatte in
die Hotelierdynastie eines bekannten Osteebades geheiratet, der die Hälfte der dortigen
Gastronomiebetriebe wie Hotels, Restaurants und Cafés gehörte. Auch Peter betonte,
seine Frau bräuchte nicht zu arbeiten, wenn sie nicht wollte und wahrscheinlich
stimmte es auch. Ob diese Traumehen glücklich waren, vermochte Georg nicht zu beurteilen.
Jedenfalls hielt Johanna diese Verbindungen offensichtlich für gelungen.
»Wenn ich denke, dass ich bei dieser Person beinahe einmal zum Essen
eingeladen war – grässliche Vorstellung …«
Sigrid schüttelte sich in wohligem
Ekel.
»Warum denn, Mama?«, fragte die
sechsjährige Laura aufmerksam, die als einziges Kind noch am Tisch geblieben war.
»Das verstehst du nicht, Kleines.
Gehst du bitte nach oben spielen zu den anderen, ja? Sei lieb!«
Sigrid gab ihrer Jüngsten einen
sanften Klaps auf den Po und schob sie in Richtung Tür. Im Schneckentempo zog sich
die Kleine aus dem Esszimmer zurück und erst ein energisches Nicken ihres Vaters
ließ sie die Treppe etwas schneller hochklettern.
»Na, Doktor, Sie waren doch bestimmt
bei der Obduktion dabei?«
Peter schaute Steffen gespannt an
und fügte mit einem Grinsen hinzu:
»Sofern man es in diesem Fall überhaupt
so nennen kann. Wie viele Päckchen hatte sie denn in die Kühltruhe gepackt?«
»Ich bin untröstlich mein Lieber,
aber auch bei meinen Patienten halte ich mich an das Arztgeheimnis. Sie werden gewiss
Verständnis dafür haben, dass ich auch den Opfern von Gewalttaten ihre Totenruhe
in jeder Hinsicht zubillige und nicht bereit bin, blutige Details zum Stillen von
billiger Sensationslust beizusteuern.«
Steffen schaute unverändert freundlich
durch seine teure Armani-Brille. Georg warf ihm einen dankbaren Blick zu. Auch er
liebte diese von primitiver Neugier und lüsternem Gruseln beherrschten Gespräche
über Mord und Totschlag überhaupt nicht. Gleich würde seine Schwiegermutter wieder
die nachlässige Polizeiarbeit
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