Osterfeuer (German Edition)
ziemlich üppiges Hinterteil noch sichtbarer ab. Der Rock war etwas hoch
gerutscht und auf der einen Seite blitzte an ihrem Oberschenkel der spitzenbesetzte
Abschluss ihrer schwarzen Strümpfe hervor. Ihre roten Wildlederpumps musste sie
unterwegs irgendwo verloren haben. In der Mitte des Hinterkopfes waren die blonden
Locken von einer schwärzlichen, klebrigen Schicht bedeckt, die Trude als angetrocknetes
Blut identifizierte.
»Oh Gott! Das ist Margot! Was ist
mit ihr?«
Vom schnellen Lauf noch schwer atmend,
die Augen schreckgeweitet, stand Betty neben Trude.
»Wir müssen ihr helfen! Wir müssen
sie rausziehen! Das Wasser ist bestimmt noch unheimlich kalt, sie wird sich den
Tod holen!«
»Ich fürchte, das hat sie schon«,
stellte Trude sachlich fest und um sich Bestätigung zu verschaffen, bückte sie sich
nach Margots Handgelenk und versuchte ihren Puls zu fühlen. Sie ließ den schlaffen
Arm zurück ins Wasser fallen.
»Den Arzt können wir uns sparen.
Ich glaube, wir sollten am besten die Polizei rufen.«
»Polizei? Wieso Polizei?«, reagierte
Betty auf diesen vernünftigen Vorschlag mit einem hysterischen Aufschrei.
»Weil das hier nicht nach einem
schlichten Unfall beim Spazierengehen aussieht.«
»Denkst du etwa, sie ist umgebracht
worden?«
Trude sah bei dieser Frage die Panik
in Bettys Blick.
»Ich weiß es nicht, Betty. Komm,
lass uns telefonieren gehen. Was anderes können wir sowieso nicht tun.«
Sie fasste nach Bettys Hand und
zog sie sanft in Richtung Mühle, was die Freundin willenlos geschehen ließ. Lollo,
der die ganze Zeit unverkennbar stolz, aufrecht und mit klopfendem Schwanz neben
seinem Fund ausgeharrt hatte, trottete jetzt brav hinter seinem Frauchen her. Er
hatte seine Schuldigkeit getan.
Iris saß vor dem Häuschen, hatte noch zwei Stühle in die Sonne gestellt
und erwartete ihre Freundinnen mit der Teetasse in der Hand.
»Und was hat der Hund gefunden?«
»Margot. Sie ist tot. Ich muss die
Polizei verständigen.«
»Was?«, war alles, was Iris herausbrachte.
Sie schaute von einer Freundin zur anderen und es war ihr nicht anzumerken, ob diese
Mitteilung sie schockierte oder irgendwie berührte. Als sie der mittlerweile im
Gesicht kalkweißen Betty ansichtig wurde, zog sie die Freundin energisch auf einen
der Stühle.
»Komm, setz dich erst mal. Trude
kümmert sich um alles. Hier, trink eine Tasse Tee, das wird dir bestimmt gut tun.«
In diesem Augenblick brachen bei
Betty alle Dämme und sie wurde von einem lauten Schluchzen überwältigt. Iris, die
solche Gefühlsausbrüche eher irritierten, legte in einem etwas ungelenken Versuch,
zu trösten, den Arm um sie.
Trude versuchte sich drinnen auf
ihren Anruf bei der Polizei zu konzentrieren. Sie war nun ziemlich aufgeregt und
zitterte am ganzen Körper. Auch wenn sie Margot nicht sonderlich gemocht hatte,
dieses Ende hatte sie ihr nicht gewünscht. Aber schließlich schaffte sie es doch,
dem Beamten vom Notruf einigermaßen logisch ihren Fund und die Lage ihres Anwesens
zu schildern.
»Lassen sie alles so, wie Sie es
vorgefunden haben. Ein Streifenwagen ist in spätestens zehn Minuten bei Ihnen.«
Als sie aufgelegt hatte, fiel Trude
ein, dass Franz wahrscheinlich noch in tiefstem Schlummer lag und nicht ahnte, was
sich da Schreckliches vor seiner Haustür ereignet hatte. Sie trat wieder nach draußen,
wo Iris immer noch vergeblich versuchte, die hemmungslos heulende Betty zu beruhigen.
»Ich gehe mal eben Franz Bescheid
sagen und komme dann wieder hierher.«
4
Im oberen Stockwerk hörte man die Kinder toben, im Esszimmer mischten
sich Gesprächsfetzen mit Geschirrklappern und über allem lag eine Duftmischung aus
Kaffee, Gebackenem, Geräuchertem und Parfum. Wie bei einem gemütlichen Brunch üblich,
hatten inzwischen einige der Gäste wieder Appetit bekommen und schlenderten zum
Buffet, um sich erneut zu bedienen. Für Georg als aufmerksamen Gastgeber das Signal,
sich um die Pflege seiner Köstlichkeiten zu kümmern, neue Teller und Besteck bereitzustellen,
frisches Brot zu schneiden, Soßen und Salate umzurühren. Er war ohnehin froh, wenn
er der erdrückenden Mehrheit von Astrids Familie entkommen konnte, die gerade dabei
war, unter Vorsitz seiner Schwiegermutter Johanna, den Stab über das Lübecker Kulturleben
zu brechen und einmal mehr klar zu stellen, dass Kunst ja immer noch etwas mit Können
zu tun haben müsse. Aber er war sich sicher, sein Freund Steffen würde auch allein
Paroli bieten können
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