Osterfeuer (German Edition)
Besitzer glaubten, sie nicht mehr
gebrauchen zu können. Sie hatten in der unermesslichen Weite der Scheune ihre vorerst
letzte Ruhestätte gefunden.
Das Objekt, dem Ameises besonderes
Interesse galt, war ein großer, alter Pferdewagen, oder besser eine offene Kutsche
mit zwei prunkvollen Messinglampen, einem herausklappbaren Tritt zum bequemen Einsteigen
und ledergepolsterten Bänken. Wahrscheinlich hatte das Gefährt in jungen Tagen die
herausgeputzten Herrschaften zu Tanzvergnügen und Besuchen in die Stadt kutschiert.
Im Vergleich zu den anderen Sachen, die hier vor sich hin rotteten, machte die Kutsche
den Eindruck, als ob sie noch genutzt würde, wenn auch eines der Räder fehlte und
dafür ein riesiges Fass untergestellt war.
»Hier hat es sich jemand richtig
nett gemacht. Seht ihr die karierte Decke auf der Ladefläche? Und dann die Zügel,
die jemand an der Deichsel festgebunden hat, und die runtergebrannten Kerzenstummel?
Also, ich denke, hier haben sich Kinder einen geheimen Treffpunkt eingerichtet,
zum Spielen, um heimlich zu rauchen, all so was. Auch nicht ungefährlich zwischen
all diesem Müll, das brennt doch wie Zunder …«
»Nun komm auf den Punkt, Meise!«
Friedemann wurde ungeduldig.
»Na ja, man kann dieses stille Eckchen
natürlich auch für romantische Begegnungen nutzen. Hier gibt es reichlich Zigarettenstummel,
viele älteren Datums und ein paar ganz frische, wahrscheinlich von gestern Nacht,
denke ich.«
»Das lässt sich feststellen, und
weiter?«
Ameise genoss seinen Wissensvorsprung.
»Außerdem gibt’s hier diverse Reste
von Selbstgedrehten und ich wette meinen Arsch, dass da außer schwarzem Krauser
bestimmt auch schwarzer Afghan im Spiele ist – merken Sie sich meine Worte Frollein
Kruse!«
»O. k. das werden
wir sehen – war’s das?«, fragte Angermüller leicht gereizt.
»Nö.«
Meise schüttelte den Kopf.
»Wir haben leere Kondomverpackungen gefunden …«
Er machte eine bedeutungsvolle Pause,
»… und in der Kutsche zwei benutzte Kondome, fast noch warm würde ich sagen …«
Geradezu genüsslich teilte Ameise
ihnen dieses Detail mit, schielte auf die Praktikantin und lachte anzüglich.
»Nicht uninteressant, ja. Du kümmerst
dich selbstverständlich um Fingerabdrücke, Fußspuren et cetera.«
Der Hauptkommissar wollte zurück
nach draußen. Dieser Ameise war ein unangenehmer Zeitgenosse und wie er es genoss,
im Beisein der jungen Frau seine Erkenntnisse auf besonders schlüpfrige Weise auszubreiten,
war einfach unerträglich.
»Halt, halt! Das Beste habt ihr
ja noch gar nicht gehört! Hier …«, er griff in die Kutsche und hielt einen knautschigen
Lederbeutel in die Höhe.
»… die Tasche der Toten. Sie lag
auf dem Boden der Kutsche. Papiere, Portemonnaie, ausgeschaltetes Handy, alles da.
Kondompackungen und Zigaretten sind identisch mit den hier drin gefundenen Teilen.«
»Sauber, Meise – schaun mer mal was draus wird. Du veranlasst die notwendigen
Untersuchungen im Labor …«
Angermüller war klar, dass Ameise
ein ganz Gründlicher war. Sympathie konnte er trotzdem nicht für ihn empfinden.
Da fiel ihm noch etwas ein:
»Kleidungsstücke habt ihr hier nicht
zufällig entdeckt?«
»Wenn du das Höschen von der Dame
im Teich meinst: Ich muss dich enttäuschen, das Souvenir hat wohl schon einer ihrer
Verehrer mitgenommen.«
Laue Luft und helles Licht umfing sie, als Angermüller und Jansen aus
der dunklen Scheune traten.
»Also müssen wir jetzt nach dem
letzten Begleiter des Opfers suchen. Der könnte uns eventuell weiterbringen …«, stellte
Angermüller fest.
»Denn mal ran an den Speck!«
Jansens Gesichtsausdruck widerlegte
den aufmunternden Spruch, mit dem er an diesem traumhaften Frühlingstag vor allem
sich selbst zu beruflicher Pflicht motivieren wollte.
»Schauen wir uns erst einmal die
Damen in der Gästewohnung an? Die haben die Tote ja gefunden. Ich halte mich bei
den Interviews diskret im Hintergrund. Du kannst sowieso besser mit den Frauen …«
So lustig und lässig diese letzte
Bemerkung auch gemeint war, tatsächlich gelang es Kommissar Angermüller meist recht
schnell, das Vertrauen von Zeuginnen zu gewinnen. Seine ruhige, freundliche Art
nahm ihnen die Angst, und die persönliche Anteilnahme, die in seinen Fragen zuweilen
durchschimmerte, schien sie vergessen zu lassen, dass er ein Mann und Polizist war.
Und zum Erstaunen seiner männlichen Kollegen offenbarten sie ihm ohne Scheu auch
ganz private Dinge, was natürlich
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