Osterfeuer (German Edition)
auch reichlich Neid und Spott hervorrief. Dass
seine Weiberwirtschaft zu Hause ihn zum Frauenversteher mache, war dann noch einer
der netteren Kommentare. Aber es gab wichtigere Dinge, über die er sich ärgern konnte.
Wahrscheinlich war es nicht einmal falsch, dass er durch sein fast lebenslanges
Zusammenleben als einziger Mann unter Frauen – zuerst Mutter und zwei ältere Schwestern
und nun Astrid und die Zwillinge – ein besseres Verständnis
für weibliche Belange entwickelt hatte.
Als sie vor dem Anbau hinter der Mühle anlangten, saßen dort drei Frauen
auf Gartenstühlen um einen Mühlstein, in Wartehaltung, wie es schien. Angermüller
stellte sich und den Kollegen Jansen vor und während die Drei auch ihre Namen sagten,
versuchte er den ersten Eindruck zu erfassen, den sie auf ihn machten. Die erste
der Frauen, halblanges braunes, glattes Haar, helle Augen, normale Figur, in Jeans,
T-Shirt und Gummistiefel gekleidet, war die Frau des Hofbesitzers. Sie sah ihn offen
und gleichzeitig sehr aufmerksam an, als wolle sie mit einem Blick feststellen,
was von ihm zu erwarten sei, und erwiderte kurz und kräftig seinen Händedruck. Die
kleine, übergewichtige Rothaarige, die sich als Betty Oppel vorstellte, hatte ein
ganz verquollenes Gesicht und musste erst einmal ein nasses Papiertaschentuch zur
Seite legen, bevor sie ihm die Hand geben konnte.
»Es ist alles so schrecklich, Herr
Kommissar! Ich fühle mich so schuldig!«, brach es aus ihr heraus, und sofort begannen
auch ihre Tränen wieder zu fließen. Sie wollte die Hand des Kommissars gar nicht
mehr loslassen.
»Sie können mir gleich alles erzählen,
Frau Oppel! Dürfen wir uns drinnen unterhalten, Frau Kampmann?«, wandte sich Angermüller
an Trude.
»Selbstverständlich!«
Angermüller lenkte seine Aufmerksamkeit
auf die dritte Anwesende.
»Guten Tag. Ich bin Dr. Iris Maria
Schulze.«
Ernst, fast streng blickte ihm die
Frau in ihrem seriösen, schwarzen Hosenanzug ins Gesicht. Klug sah sie aus mit den
wachen Augen unter der eisgrauen Kurzhaarfrisur, aber irgendwie auch sehr verletzlich
mit ihrer mehr als zierlichen Gestalt und der durchscheinenden, hellen Haut.
»Sind Sie Ärztin, Frau Doktor?«
Angermüller war erstaunt, wie fest
ihre kleine Hand die seine drückte.
»Ich bin Literaturwissenschaftlerin.«
Sie lächelte nicht und artikulierte
ausgesprochen präzise, was umso eindrucksvoller war, da sie eine kaum merkbare Schwierigkeit
bei der Aussprache von Zischlauten wie z oder s hatte.
»Dann reden wir jetzt zuerst mit
Frau Oppel. Und danach sehen wir uns dann.«
Der Kommissar nickte Trude und Iris
zu und ließ Betty den Vortritt ins Haus. Jansen, der hin und wieder Notizen in ein
kleines Heft machte, kam hinterher.
Betty hatte sich zumindest so weit beruhigt, dass sie dem Kriminalbeamten
Rede und Antwort stehen konnte. Sie saßen sich an dem hölzernen Esstisch gegenüber,
Betty auf der Eckbank, Angermüller auf einem Stuhl, und der Blick durch das große
Fenster in die sonnenbeschienene Weite der Wiesen und Felder wäre wahrlich märchenhaft
gewesen, wenn nicht die Kollegen von der Spurensicherung, die in ihren weißen Anzügen
wie Wesen von einem anderen Stern wirkten, diese Idylle empfindlich gestört hätten.
Jansen setzte sich auf einen Stuhl sozusagen in die zweite Reihe, aber so, dass
er die Reaktionen der Zeugin gut verfolgen konnte.
»Frau Oppel, geht’s denn wieder?
Dürfen wir Ihnen ein paar Fragen stellen und Ihre Angaben auf Band aufnehmen?«
Jansen hielt ein kleines Diktiergerät
in die Höhe.
»Aber natürlich! Ich will doch gerne
helfen, denn ich möchte ja auch wissen, wer unserer Freundin so was antun konnte
…«
Jansen sprach leise Datum, Uhrzeit,
Name der Zeugin auf Band und legte das Gerät dann auf den Tisch. Betty putzte sich
noch einmal geräuschvoll die Nase und saß dann kerzengerade und konzentriert da.
»Also, Sie kennen oder kannten Frau
Sandner aus Berlin und sind zusammen für die Ostertage hierher gekommen, Urlaub
sozusagen«, begann Angermüller.
»Ja, wir kennen uns schon sehr lange.
Nicht nur ich, sondern auch Trude und Iris – Frau Kampmann und Frau Schulze – wir
sind seit Studienzeiten, also seit über zwanzig Jahren befreundet. Seit Frau Kampmann
aus Berlin weggegangen ist, sehen wir uns natürlich nur noch selten. Normalerweise
kommt Trude mindestens einmal im Jahr nach Berlin. Aber wir hatten schon seit einer
Ewigkeit vor, sie endlich einmal auf ihrem Mühlenhof zu besuchen. Dass
Weitere Kostenlose Bücher