Osterfeuer (German Edition)
bloßen Füßen trug er weiße Birkenstocks.
Sein Haar changierte zwischen blond und grau und er mochte vielleicht fünfzig Jahre
alt sein. Selbst in dieser simplen Freizeitkluft strahlte er eine nachlässige Eleganz
aus. Er begrüßte sie mit einem geschäftsmäßigen Lächeln in seinem sonnengebräunten
Gesicht.
»Osterholz, mein Name. Ich bin Benjamins
Vater. Guten Abend die Herren!«
Er gab Angermüller und Jansen, die
sich ebenfalls vorstellten, die Hand.
»Sie wissen aber, dass schon zwei
Kollegen von Ihnen heute Nachmittag hier waren?«
Angermüller nickte ergeben.
»Die Polizei will also zum zweiten
Mal mit meinem Sohn sprechen. Was hat das zu bedeuten? Verdächtigen Sie ihn? Muss
ich etwa gleich unseren Anwalt anrufen?«
Von Lächeln keine Spur mehr. Nicht
mal mehr geschäftsmäßig.
»Nein, Herr Professor, natürlich
nicht! Wir haben nur noch ein paar kurze Fragen.«
Zum Glück war Jansen in solchen
Momenten von einer immer gleichen unverbindlichen Freundlichkeit und ganz der kleine
Polizist, der bescheiden seiner Arbeit nachging.
»Kommen Sie dann bitte hier durch.
Nach Ihnen. – Benjamin! Kommst du bitte mal!«
Osterholz rief im lauten Befehlston
in den weiten Flur und mit einer lässigen Geste ließ er den Beamten den Vortritt
in den Wohnraum, der erst vollkommen die Exklusivität der Lage des Bungalows enthüllte:
Die Südwestfront bestand fast nur aus Glas, davor eine Terrasse mit einem Pool und
am Fuße des dahinter abfallenden Gartens der Strand, das Meer, die Bucht, nur durch
einen Spazierweg vom Grundstück getrennt.
Ich glaube, die Grundfläche unseres
Hauses passt zweimal in dieses gigantische Wohnzimmer – wozu brauchen die Leute
so was, ging es Angermüller durch den Kopf. Er war nicht im Geringsten neidisch,
dachte an sein eigenes, gemütliches Häuschen und an das, was Astrid manchmal von
den Wohnverhältnissen der Asylbewerber berichtete, die sie betreute. Und daran,
dass er Verbrecher schon in Hütten wie in Palästen gejagt hatte.
Ein junger Mann betrat das Zimmer.
Er bewegte sich mit einer faszinierenden Langsamkeit, als wolle er jede unnötige
Anstrengung vermeiden. Seine Verwandtschaft zu dem Professor war unschwer zu erkennen,
genauso groß und schlank, sehr ähnliche Gesichtszüge, nur dass sein langes Haar
noch von reinem Blond war. Unter der ebenfalls sonnengebräunten Haut wirkte er etwas
blass und erschöpft.
»Benjamin, die Polizei ist noch
einmal hier und will mit dir sprechen. Du brauchst nichts zu sagen, Junge! Ich kann
auch sofort Dr. Pfleger anrufen, wenn du willst …«
Nicht Besorgnis lag in Professor
Osterholz’ Stimme, sondern das Bewusstsein, über Mittel und Wege zu verfügen, alle
Probleme jederzeit in seinem Sinne lösen zu können.
Ben schüttelte den Kopf und zog
kurz die Augenbrauen hoch, was wohl soviel heißen sollte wie: Bleib cool, Alter!
Sein Vater stellte sich mit verschränkten Armen neben ihn.
»Wir würden gern mit Ihrem Sohn
allein sprechen, Herr Professor.«
»Aber natürlich …«
Osterholz senior verließ den Raum.
Recht war ihm das offensichtlich nicht und ob er außer Hörweite war, ließ sich nicht
feststellen – es gab keine Tür zwischen Wohnraum und Flur.
»Setzen wir uns?«
Angermüller wies auf die schwarze
Polstergarnitur, die sehr kühn designed aber nicht sehr bequem aussah und sie ließen
sich zu dritt auf dem knarzenden, glatten Leder nieder. Die Miene des Jungen drückte
absolute Langeweile aus und zwischendurch sah er immer wieder mit zusammengekniffenen
Augen in die Türöffnung zum Flur.
»Tolle Aussicht habt ihr hier!«,
begann Angermüller, der auf dem niedrigen Sessel die Knie fast an den Ohren hatte
und wies noch einmal bewundernd auf das Panorama vor ihnen, doch Ben reagierte nicht
auf diese harmlose Gesprächseröffnung und so fuhr er fort:
»Benjamin oder Ben, wie du genannt
wirst: du bist neunzehn Jahre alt und du gehst noch zur Schule? Pardon, ich darf
doch ›du‹ sagen?«
»Ist o.k.«
»Gut. Du kanntest die Frau, die
heute morgen tot auf dem Mühlenhof aufgefunden worden ist, und mehrere Zeugen sagen
aus, dass sie Margot Sandner zuletzt lebend mit dir zusammen gesehen haben und zwar,
wie ihr gemeinsam das Festzelt verlassen habt. Dann schildere uns doch bitte, was
danach geschehen ist. Wir nehmen deine Aussage auf Band auf, einverstanden?«
»Ich kapier’s nicht.« Bens Gesicht
verzog sich unwillig.
»Das habe ich doch alles schon dem
Reimers und seinem Kollegen erzählt …«
Geduldig
Weitere Kostenlose Bücher