Osterfeuer (German Edition)
unstillbaren Sehnsucht nach Gaumenkitzel
ausgeliefert, dann nur vom Feinsten! Das musste nicht das Teure sein, eher das Echte,
Unverfälschte. Eine frische Scheibe Bauernbrot mit goldiger Fassbutter war für ihn
auch eine Delikatesse. Er würde lieber noch durchhalten, bis er wieder zu Hause
war und sich dann in aller Ruhe an den Resten seines morgendlichen Osterbuffets
delektieren, einen schönen Rotspon dazu trinken …
Doch dann hatte er diese Bude am
Hafen gesehen und sich erinnert, dass er hier schon einmal ein wunderbar knuspriges
Brötchen mit der saftigsten, geräucherten Makrele seines Lebens gegessen hatte.
Und so saßen sie dann auf einer Bank am Wasser, Jansen, der den Inhalt seiner braunen
Tüte vertilgte und Angermüller, der mit verzücktem Blick in ein Brötchen mit heiß
geräuchertem Aal biss. Das Klingeln des Handys unterbrach seine stille Andacht und
vorsichtig legte er die Köstlichkeit auf die neben sich ausgebreitete Papierserviette
und wischte sich daran umständlich die Finger, bevor er das Gespräch entgegennahm.
Sein Freund Steffen, der Gerichtsmediziner, war am Apparat.
»Ja, hallo! – Wir machen gerade
einen kurzen Stopp am Warstedter Hafen, essen eine Kleinigkeit.«
Steffen schien die Örtlichkeit samt
Fischbude nicht unbekannt zu sein, denn Angermüller nickte:
»Genau! Der heiß geräucherte Aal
ist einfach köstlich!«
Und dann mit Blick auf Jansen:
»Nein, der zieht das Fastfood aus
der braunen Tüte vor. – Haha! Das find ich auch!«
Was Fragen des guten Geschmacks
anbetraf, zogen Angermüller und sein Freund am gleichen Strang.
»Ah, du hast schon erste Ergebnisse,
prima! Schieß los!«
Angermüller lauschte aufmerksam.
»Also ich habe richtig verstanden:
Todeszeitpunkt zwischen drei und sieben, Todesursache: Strangulation. Sag, Steffen,
wann wissen wir, ob die Tote noch kurz vor ihrem Ableben Verkehr hatte und ob die
beiden Kondome dabei benutzt wurden? – Leider erst morgen. Na gut – vielen Dank
so weit! Du bleibst noch im Institut und machst weiter? – O.k. Vielleicht komme
ich nachher noch bei dir vorbei. Bis dann!«
Angermüller tauschte das Handy gegen
den Rest seines Aalbrötchens und fragte seinen Kollegen:
»Du hast zugehört?«
»Mmh«, kaute Jansen an seinem letzten
Bissen Hamburger, »denn lass uns mal los.«
Auch Angermüller hatte sein Mahl
beendet und fuhr sich mit der Papierserviette über den Mund.
»Ja gut, auf zum Mühlenhof! – Einfach
köstlich, dieses Aalbrötchen! Du weißt nicht, was du versäumst, wenn du immer dieses
Junkfood den Spezialitäten deiner Heimat vorziehst.«
6
»Der Aal wird getötet, indem man ihn ganz resolut mit einem Tuche anfasst
und mit dem Kopfe kräftig auf die scharfe Tischkante oder einen Stein schlägt oder
man gibt ihm einen kräftigen Schlag mit einem Holzhammer auf den Kopf. Leichter
ist er zu töten, wenn man ihn in einen Eimer oder Topf legt, ihn mit einer Mischung
von Weinessig und Salz – 1/4l Essig, 1 Handvoll Salz – in einem Zuge begießt und
blitzschnell den Deckel darauf deckt, den man festhalten muss, damit der Aal nicht
herausspringt. Nach einigen Minuten ist er tot und wird herausgenommen …«
Die gute alte Mary Hahn verstand
sich auch auf die brutale Seite der feinen Küche und die Hausfrau damals war viel
näher am Ursprung der Lebensmittel, mit denen sie arbeitete, als wir heutzutage,
dachte Trude. Wie viele mochte es geben, die Fisch nur noch in der praktischen Viereckform
aus der Tiefkühltruhe kennen – jegliches Eigenaroma einer Fischsorte ist zwar verschwunden,
wird aber mit Geschmacks- und Aromastoffen wettgemacht – kein Fischgestank, keine
Schuppen, keine Gräten, kein Fischgeschmack – was will man mehr. Trude beugte sich
über das arg mitgenommene Kochbuchexemplar von 1912, nach dem schon ihre Urgroßmutter
gekocht hatte. Eigentlich hatte sie keine Anleitung zum Töten gesucht, denn das
war bereits erledigt, sondern nur zum Häuten der Fische.
Auch für diese schwierige Prozedur
wusste Mary Hahn Rat und zwei Stunden später thronten die gehäuteten, gewürzten
und gekochten Aalstücke appetitlich auf der gehaltvollen Suppe, die verlockende
Düfte von den Tellern aussandte. Allein, die Runde, die sich um den großen Tisch
in Trudes gemütlicher Küche versammelt hatte, schien nicht den rechten Appetit zu
haben.
Das Kaffeetrinken am Nachmittag
war in einer angenehmeren Atmosphäre verlaufen, was nicht zuletzt dem traumhaften
Wetter, über das jeder seine Begeisterung
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