Osterfeuer (German Edition)
…«
Elsbeth zuckte hilflos mit den Schultern
und versuchte dann ein Lächeln zustande zu bringen:
»Dann hoffen wir mal, dass das gut
geht. Ich sehe wohl einfach zu schwarz … Gute Nacht, mein Deern! – Gute Nacht Frau
Betty und Frau Iris!«
Sie drückte Trudes Hände und ging
mühsamen Schrittes Richtung Mühle. Betty und Iris, die die Szene stumm verfolgt
hatten, erwiderten den Gruß und alle drei blieben etwas verlegen neben der alten
Scheune zurück.
»Habt ihr Lust, noch auf ein Glas
Wein mit zu uns zu kommen?«, fragte Trude höflich. Im Grunde hatte sie an einem
Zusammensein mit den beiden Frauen gerade jetzt überhaupt kein Interesse.
»Danke, nein!«, antwortete Betty
schroff und Iris, der die Situation offensichtlich sehr unangenehm war, sagte entschuldigend:
»Ich muß gestehen, ich fühle mich
etwas unwohl. Sei mir nicht böse, wenn ich mich auch gerne zurückziehen möchte,
ja?«
»Kein Problem! Ich wünsche eine
gute Nacht!«
Und so gingen sie ihre getrennten
Wege. Trude eilte nach Hause, denn Franz war sicher in Sorge wegen Oliver und wartete
schon auf sie. Er würde sie brauchen und ihr Platz war jetzt bei ihm.
7
Der Schein der Straßenlampe fiel auf den kümmerlichen Rasen vor dem
achtstöckigen Haus. Obwohl das Alter und der Zustand der drei eng nebeneinander
stehenden Mietskasernen dieser Bezeichnung offensichtlich widersprach, wurde die
Gegend in Warstedt immer noch als die neue Siedlung bezeichnet. Zwischen den teils
zerbrochenen Platten des Gehwegs, der zur Haustür führte, wuchs allerlei Grünzeug,
das dort nicht hingehörte. In der unvollkommenen Dunkelheit der vom Mond erhellten
Frühlingsnacht waren die Gestalten einer Gruppe Jugendlicher zu erkennen, die rauchend
den angrenzenden Spielplatz bevölkerten.
»Ey, ihr seid doch Bullen! – Kommt
ihr endlich den Neger verhaften? – Ach nee, der Kampmann? – Warst du etwa auch dabei,
Weichei? – So was hätt ich dir gar nicht zugetraut!«, schallte es wie ein Wechselgesang
herüber. Ohne darauf zu reagieren, gingen Angermüller und Jansen mit Oliver in ihrer
Mitte auf die Haustür zu, die sich durch einfachen Druck öffnen ließ. Sie betraten
den Flur, dessen Wände die Spuren eines aussichtslosen Kampfes gegen Graffiti trugen.
Wer hätte gedacht, dass es so eine Skala an unterschiedlichen Weißtönen gab, mit
denen wahrscheinlich ein unermüdlicher Hausmeister immer wieder versuchte, der Schmierereien
Herr zu werden. Auf ihn wartete schon wieder Arbeit. Vom Treppenlicht nur spärlich
beleuchtet, prangte neben »Susi ich liebe dich« und »Madonna forever« in frischem
Rot die Aufforderung »Neger ab nach Kuba!«
»Morales wohnt im fünften Stock,
laut Klingelbrett.«
Jansen deutete in den Hintergrund
des Flurs.
»Da ist sogar ein Aufzug!«
Es roch nach Essen, Waschpulver
und Zigarettenrauch und hinter den Wohnungstüren konnte man Fernseher und auch ein
Baby plärren hören, hinter einer anderen stritten ein Mann und eine Frau. Das ist
die andere Seite der Idylle, dachte Angermüller. Hätte gedacht, in Warstedt gibt
es nur nette, saubere Häuschen mit eben solchen Bewohnern – endlich einmal der Beweis,
dass es in unserem Land keine Armut mehr gibt. Aber was heißt überhaupt arm? Essen,
Kleidung, Farbfernseher, Auto – haben die Leute alles – wenn sie auch nicht freiwillig
in dieser Schäbigkeit wohnen, die sich ironischerweise Sozialbau nennt. Und sieht
es hier so verlottert aus, wegen der Menschen die hier wohnen oder verlottern die
Menschen, weil sie hier wohnen müssen? Fragen auf die auch Astrid, die beruflich
an den so genannten sozialen Brennpunkten zu Hause war, bis heute keine Antwort
eingefallen war.
Der Knopf, der den Aufzug holen
sollte, leuchtete zwar, aber sonst tat sich nichts. Ein Mann in einem türkisfarbenen
Jogginganzug betrat den Hausflur, rechts und links zwei Tragen mit Dosenbier. Er
schlurfte auf die Treppe zu.
»Da braucht ihr nicht auf warten
– das Scheißding ist mal wieder in Arsch«, brummelte er im Vorbeigehen.
»Danke!«, rief ihm Jansen nach.
»Da nich für, Mann«, war die großzügige
Antwort und die drei machten sich auf den Fußmarsch nach oben. Von Stockwerk zu
Stockwerk atmete Angermüller schneller und im dritten musste er erst einmal verschnaufen.
In diesem Moment verfluchte er all die kulinarischen Verführungen, denen er in seinem
Leben erlegen war, und jedes Quäntchen Alkohol, das er in vollen Zügen genossen
hatte, und er schwor sofortige Askese – wohl wissend,
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