Osterfeuer (German Edition)
was dieser Schwur wert war.
Während er sich weiter langsam nach
oben quälte, musste er über Oliver Kampmanns Sturheit nachdenken.
Der Junge war durch nichts zu bewegen
gewesen, zuzugeben, dass er in der ersten Befragung offensichtlich gelogen hatte.
Obwohl Angermüller ihm wahrlich goldene Brücken baute, behauptete er, die Wahrheit
gesagt zu haben, und machte sich damit natürlich höchst verdächtig. Nachdem Jansen
ihm auf den Kopf zugesagt hatte, dass sie genau wussten, dass er in der Nacht noch
einmal auf den Hof zurückgekommen war, sagte er gar nichts mehr. Jansen war überzeugt,
dass er, wenn er nicht der Täter war, zumindest etwas zur Tat wissen musste, so
wie er sich verhielt.
Also nahmen sie ihn mit auf die
Dienststelle und ließen ihn eine Viertelstunde allein in dem kahlen, engen Vernehmungszimmer
schmoren. Dann kündigte Jansen ihm an, ihn über Nacht dazubehalten, wenn er sich
nicht endlich zu einer erneuten Aussage entschließen würde. Dass der Junge litt,
war nicht zu übersehen. Die Frage war nur, litt er, weil er schuldig war, oder weil
er es nicht war, aber jemand anderen gefährdete, wenn er redete? Nachdem Jansen
mit seiner harten Methode den Boden bereitet hatte, nahm sich Angermüller wieder
des Zeugen an.
»Magst du vielleicht was trinken,
Oliver?«
»Ja bitte, gerne.«
Diese höfliche Bitte waren die ersten
Worte, die Oliver Kampmann von sich gab, seit er die Dienststelle betreten hatte.
Er schien eigentlich ein recht sympathischer Junge zu sein und seine hübschen, weichen
Gesichtszüge unter dem lockigen Haar standen ganz im Gegensatz zu seinem verbohrten
Schweigen. Angermüller ließ sich von Jansen zwei Gläser und eine Flasche Wasser
bringen, die dieser auf den Tisch zwischen ihnen stellte und sich dann, soweit das
der kleine Raum zuließ, diskret in eine Ecke zurückzog.
Oliver leerte sein Glas in einem
Zug.
»Das tut gut, gell?«, fragte Angermüller
in seinem fürsorglichen, fränkischen Tonfall und goss ihm nach. Der Junge nickte.
»Hör mal, Oliver, kannst du dir
denn denken, wer uns gesagt hat, dass du später in der Nacht noch einmal zurück
auf den Hof gekommen bist?«
Oliver zuckte mit den Schultern.
»Dein Freund Ben war das.«
Wieder zuckte der Junge mit den
Schultern. Das hatte er sich wohl wirklich denken können.
»Wenn dein Freund eh schon alles
ausgeplaudert hat, versteh ich nicht, wieso du so beharrlich schweigst! Weißt du,
in welche Lage du dich bringst? Du kannst eines Mordes verdächtigt werden! Eines
Mordes verstehst du?«
Oliver blickte Angermüller mit seinen
klaren, blauen Augen an und ganz langsam schienen die Worte in sein Bewusstsein
zu dringen. Von der Coolness, die sein Freund Ben an den Tag gelegt hatte, war bei
ihm nichts zu spüren. Dieser Junge war eine viel sensiblere Natur.
»Bestimmt machen sich deine Eltern
große Sorgen, meinst du nicht …«, mühte sich Angermüller, bei dem Jungen eine Saite
zum Klingen zu bringen, »… und Anna wahrscheinlich auch!«
Bei der Nennung dieses Namens senkte
Oliver den Kopf und sackte irgendwie auf seinem Stuhl zusammen. Angermüller, dem
das natürlich nicht entging, hakte sofort ein.
»Tu’s nicht für uns, tu’s für Anna.
Erzähle uns, was letzte Nacht passiert ist. Anna wäre bestimmt nicht froh, wenn
wir dich hier behalten würden, oder?«
Traurige Resignation lag in Olivers
Blick, als er schließlich sagte:
»Ben hat Ihnen doch schon alles
erzählt. Dann wissen Sie ja Bescheid.«
»Es tut mir leid, mein Junge, aber
wir müssen das schon alles auch von dir selbst noch einmal hören …«, bedauerte Angermüller
und endlich, nach einer langen Minute, in der man es in Olivers Kopf förmlich arbeiten
hörte, begann er stockend zu reden. Ja, er war mit dem Motorroller zum Hof zurückgekommen,
um Ben ins Laguna abzuholen und hatte ihn mit Margot Sandner in der Scheune angetroffen.
Die beiden wollten gerade einen Joint rauchen und obwohl er eigentlich keine Lust
darauf hatte, redete Frau Sandner so lange auf ihn ein, bis er auch in die Kutsche
stieg und mittat. Angermüller konnte sich vorstellen, dass dieser gutmütige Junge
damit Probleme hatte, sich zu behaupten, wenn jemand ihn bedrängte.
»Und dann … Ich kann mir das jetzt
selbst nicht mehr erklären, wieso ich da mitgemacht habe … Es tat mir auch sofort
schrecklich leid, wegen Anna …«
Oliver redete nicht weiter.
Jansen warf Angermüller einen alarmierten
Blick zu, der soviel heißen sollte, wie: Dranbleiben!
»Was geschah
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