Osterfeuer (German Edition)
dass sie Trude zu keiner Spekulation über den Mörder
würde verleiten können und sie mit ihrer Neugier auf Granit biss. Und indem sie
hier einen Topfdeckel angehoben hatte – Aalsuppe! Heb ich dir schon mal unser altes
Familienrezept geben? – dort einen Vorhangstoff befühlt hatte und da einen Blumenstrauß
bewundert, hatte Lina langsam den Rückzug von ihrer erfolglosen Mission angetreten.
Mit einem letzten, bedauernden Blick auf den Korb mit den Hasenkeulen, hatte sie
sich von Trude verabschiedet und wahrscheinlich schon in dieser Minute ihre unüberlegte
Großzügigkeit, die so ohne jede Gegenleistung geblieben war, von Herzen bereut.
Als traditionsbewusste Köchin hatte Trude für den Ostermontag ein Lamm
geplant und wollte diese unverdient über sie gekommenen Hasenkeulen gleich in ihre
Tiefkühltruhe packen. Doch irgendwie war sie nicht mehr dazu gekommen und erinnerte
sich nun erst spätabends, dass das Wild noch in einem Korb in ihrer Speisekammer
stand. Zerstreut wühlte Trude in den Schubladen nach passenden Plastikbeuteln, um
darin die Hasenkeulen zu verpacken. Ihre Gedanken waren woanders. Zwischen Gelassenheit
und Verärgerung, Besorgnis und Erleichterung waren ihre Gefühle den ganzen Tag schon
Achterbahn gefahren und jetzt kam dazu noch Verwirrung und Angst.
Vor einer halben Stunde war einer
der Kriminalbeamten, der große Franke mit der ruhigen Art, auf den Hof gekommen
und hatte Oliver zurückgebracht. Der machte zwar nicht gerade einen glücklichen
Eindruck, doch der Kommissar sagte, sie hätten nur noch einmal seine Aussage überprüfen
müssen und vorerst sei alles erledigt. Olli hatte sich sofort in sein Zimmer zurückgezogen,
das »Do not disturb« Schild an die Tür gehängt und Trude hörte ihn kurz darauf telefonieren.
Das war natürlich eine große Erleichterung und sie hatte die Neuigkeit sofort Elsbeth
mitgeteilt, der vor Freude die Tränen kamen.
Was sie jetzt jedoch beunruhigte,
war die Tatsache, dass dieser Kommissar schon seit einer halben Stunde mit Franz
im Herrenzimmer war, um noch ein paar Fragen zu klären, wie er das ganz harmlos
ausdrückte. Natürlich befürchtete sie vor allem, dass ihre unklare Aussage von heute
Mittag Franz jetzt Schwierigkeiten bereitete. Doch viel schlimmer war, dass ihr
immer wieder Zweifel kamen, ob Franz ihr die Wahrheit gesagt hatte und ob er nicht
doch etwas mit Margots Tod zu tun hatte. Und für dieses Misstrauen, für diesen ungeheuerlichen
Verdacht, auch wenn er noch so leise war, schämte sie sich gleichzeitig über die
Maßen. Wie konnte sie nur annehmen, dass der Mensch mit dem sie jetzt schon seit
fünf Jahren unter einem Dach lebte, den sie liebte und dem sie doch vertrauen wollte,
mit dieser grässlichen Tat etwas zu tun haben könnte? Und doch, es gelang ihr nicht,
den bohrenden Zweifel ganz beiseite zu schieben.
Ohne ihren sich im Kreis drehenden
Gedanken entkommen zu können, hatte Trude nebenbei das Fleisch verpackt, beschriftet
und in die Tiefkühltruhe gelegt. Nun musste sie sich um das Lamm für den morgigen
Tag kümmern und war froh, sich damit ablenken zu können. In Rezepten zu schmökern,
mit duftenden Zutaten zu arbeiten, ihre unterschiedliche Beschaffenheit in den Händen
zu spüren und daraus wohlschmeckende Speisen zu bereiten, war für Trude immer noch
die beste Therapie gegen jede Art von Befindlichkeitsstörungen. Sie griff ins Regal
über der Arbeitsplatte und nahm »Geschmack und Vorurteil« heraus, ihren Bestseller
über die englische Landhausküche, um sich noch einmal anzuschauen, was sie sich
vorgenommen hatte. Weder Betty noch Iris hatten geäußert, dass sie aufgrund der
Ereignisse ihre Pläne ändern wollten und so ging Trude davon aus, dass sie wie geplant
erst am morgigen Abend abreisen würden, man also noch ein gemeinsames Mittagessen
vor sich hatte – mit welchem Appetit und welcher Stimmung auch immer …
Der kräftige, säuerliche Geruch eines guten Malzessigs mischte sich
bald mit den intensiven Aromen von Knoblauch, Gewürznelken, Rosmarin und Thymian
und die beiden zartrosa Lammkeulen tauchten ein zum Bad in die kräftige Beize. Da
Trude gerne so früh wie möglich mit den Vorbereitungen für ein etwas aufwendigeres
Essen begann und jetzt eh nach Ablenkung suchte, holte sie sich anschließend die
frischen Gemüse aus der Speisekammer, die sie morgen zum Fleisch reichen wollte.
Sie saß am Tisch, putzte weiße und gelbe Rübchen und fädelte zarte Schoten ab, als
es klopfte und auf ihr
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