Osterfeuer (German Edition)
nachher, Rieke!«, schnitt
Trude ihr energisch das Wort ab.
»Ich muss jetzt wirklich Schluss
machen! Lollo, der jault und bellt, wie ein Verrückter, wer weiß, was da wieder
los ist!«
Als Trude die Küche betrat, verstummte
das Gebell sofort und ganz fleischgewordenes Schuldbewusstsein, verzog sich der
Hund mit eingeklemmtem Schwanz in die Ecke neben der Terrassentür. Ein Blick und
ihr war klar, das Tier musste an die frische Luft, denn wahrscheinlich war ihm ziemlich
schlecht. Kein Wunder nach dem Genuss eines halben Pfundes reiner Butter! Sie war
im Grunde selbst schuld daran: Auf dem Fußboden lagen die Tischdecke und die völlig
sauber geleckten Scherben der Butterdose – sie hatte vergessen, sie in den Kühlschrank
zu stellen und da Lollo gelernt hatte, dass er vom Tisch nichts fressen durfte,
hatte er sich an diesem einsamen, langweiligen Nachmittag die Dose eben auf den
Boden geholt.
Sie schickte das Tier in den Garten
und tatsächlich verzog sich Lollo schnurstracks unter den Pflaumenbaum und würgte
die ganze fette Ladung wieder heraus.
»Jetzt komm wieder rein Lollo! Du
verfressenes Untier! Und ruh dich von deinen Schandtaten aus«, rief Trude, als der
Hund mit sämtlichen Geschäften fertig zu sein schien. Folgsam trottete das Tier
in die Küche, ließ sich die nassen Pfoten abwischen, plumpste schwerfällig in sein
Körbchen und schloss ermattet die Augen. Bedauernd sammelte Trude die Trümmer der
meergrünen, handgetöpferten Butterdose vom Boden und fragte sich, ob sie dieses
schöne Teil wohl noch einmal in der kleinen Keramikwerkstatt am Markt anfertigen
lassen könnte.
»Ja Lollo, das muss ich dir dann
wohl vom Taschengeld abziehen«, murmelte sie drohend und legte die Tischdecke beiseite,
um sie in den Schmutzwäschekorb mitzunehmen. Bei der Nennung seines Namens spitzte
der Hund zwar die Ohren, aber die Augen öffnete er nicht. Es schien ihm wirklich
nicht sehr gut zu gehen.
»Oh Schiete! Schon halb sechs! Ich
muss jetzt endlich mit Elsbeth reden, sonst schaff ich das nicht mehr bevor wir
weggehen …«, schimpfte Trude nach einem Blick auf die Uhr, warf sich ihre Regenjacke
über, stieg in die Gummistiefel und sprang durch die nasse Dämmerung hoch zur Mühle.
Nachdem sie mehrmals an Elsbeths Wohnungstür geklopft hatte, ohne eine
Antwort zu bekommen, trat Trude durch die schwere Eichentür wieder ins Freie. Sie
war enttäuscht, ihre geschätzte Freundin nicht angetroffen zu haben, gerade jetzt,
wo ihr so viele Fragen auf der Seele brannten. Ein Blick um die Ecke zeigte, dass
in der Mühle alles dunkel war. Wahrscheinlich unternahm Elsbeth einen ihrer ausgedehnten
Spaziergänge, auf die sie auch bei noch so widriger Witterung nicht verzichtete,
und Trude entschied, sich erst ausgehfertig zu machen und es dann noch einmal zu
versuchen, wenn die Zeit reichte. Sie sah, dass auch in der Gästewohnung kein Licht
brannte. Doch sie hatte beschlossen, sich über Iris’ Wohlergehen nicht mehr den
Kopf zu zerbrechen. Wenn Iris meinte, sich immer aus allem heraushalten zu können,
immer ihre sichere Distanz wahrte, dann wollte Trude sich auch nicht mehr aufdrängen.
Gegen Abend schauten Angermüller und Jansen noch einmal in der Warstedter
Dienststelle vorbei, nur um festzustellen, dass es nichts verwertbares Neues gab.
Anja Lena Kruse, die aufgeweckte Praktikantin, war mit der ersten Auswertung der
Hinweise aus der Bevölkerung betraut worden und ihr jugendlicher Eifer hatte bei
dieser Tätigkeit einen ziemlichen Dämpfer bekommen. Außer einer Menge Klatsch und
Tratsch, übler Nachrede und selbstverständlich anonymen, meist obszönen Selbstbezichtigungen,
die von irgendwelchen beschränkten Zeitgenossen als Scherz gemeint waren, gab es
keinerlei konkrete Erkenntnisse. Der Aktenfuchs Niemann hatte trotz seiner peniblen
Vorgehensweise keine neuen Anhaltspunkte entdecken können und die beiden Kollegen,
die den Tipps nachgegangen waren, die wenigstens einen Hauch von Erfolg versprachen,
meldeten auch Fehlanzeige.
Angermüller beschloss, sich und
seine Kollegen in den Feierabend zu schicken. Sie konnten heute ohnehin nichts mehr
tun. Dafür gab es einige Dinge, auf die sie warteten und die vielleicht am nächsten
Tag den Durchbruch bei ihrer Arbeit bringen würden: Die Ergebnisse der Faserproben
und DNA-Analysen, das weitere Verhalten der Elsbeth Friedrichsen, das Auftauchen
dieses abgängigen Alkoholikers, Jansen wartete auf das Zusammenbrechen von Trude
Kampmann und außerdem war
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