Ostfriesenblut
den Nagel gerissen hast, du gottverdammtes Luder.
»Was Sie tun, ist Unrecht«, stellte Ann Kathrin, um Sachlichkeit bemüht, klar.
»O nein«, lachte er. »Was sie tut, ist Unrecht«, und trat noch einmal nach Susanne Möninghoff. Diesmal traf er ihren kahlrasierten Schädel.
Hinter ihm hing völlig regungslos Heinrich Jansen geknebelt im Stuhl.
»Sie leiden an einer völligen Verwirrung«, sagte Thomas Hagemann. »Das hat Ihr Mann gemacht. Es ist eine Art Kopfwäsche. Das hat er als Psychologe gelernt. Die Methoden von denen sind noch viel perfider als die von dem da.« Er zeigte auf Heinrich Jansen, dessen Körper jetzt von einer Art Fieberkrampf oder epileptischem Anfall geschüttelt wurde.
Er lebt also noch, registrierte Ann Kathrin kalt.
Thomas Hagemann packte Susanne Möninghoff und zerrte sie auf die Knie. Dann riss er ihr das Teppichband vom Mund. Schon das Geräusch tat Ann Kathrin weh. Es sah aus, als wäre ein Teil von Susanne Möninghoffs getrockneter, aufgesprungener Oberlippe am Teppichband kleben geblieben.
»Wir können sie gemeinsam erziehen«, schlug Thomas Hagemann vor. »Wenn Sie es selber einmal ausprobiert haben, dann werden Sie mich verstehen, Frau Klaasen. Menschen sind formbar, wie Knetgummi. Man muss nur wissen, wie, dann kann man sie von ihrem schlimmen eigenen Willen befreien. Dann werden sie nicht mehr gequält von diesen Phantasien und Sehnsüchten. Von ihren Wunschträumen. Dann ergeben sie sich endlich in das, was ist und ihnen zusteht.«
Susanne Möninghoff hatte Mühe, Ann Kathrin auch nur zu erkennen, so zugeschwollen waren ihre Augen von den Boxhieben. Sie versuchte etwas zu sagen, doch nur ein Krächzen kam heraus. Trotzdem verpasste Thomas Hagemann ihr sofort eine Kopfnuss. »Du redest nur, wenn du gefragt wirst.«
»Bitte lassen Sie diese Frau frei«, sagte Ann Kathrin. »Sie hat Ihnen nichts getan. Bilden Sie sich bloß nicht ein, dass Sie sie in meinem Auftrag so quälen und misshandeln können. Ich will das nicht. Sie hat meinen Mann, okay … «
»Jetzt tun Sie bloß nicht so, als ob Ihnen das nichts ausmachen würde!«
»Und ob mir das was ausmacht! Am Anfang habe ich geheult und war verzweifelt. Aber dann … vielleicht ist alles besser so, denke ich mir. Ich habe einen anderen Mann. Einen … «, sie schluckte, »einen besseren.«
»Was ist an ihm besser?«, wollte Thomas Hagemann wissen. »Er ist Ihr Untergebener! Er ist ständig pleite! Er muss für eine Frau und zwei Kinder blechen. Der kann Ihnen doch nichts bieten!«
Ann Kathrin Klaasen versuchte, sich die Situation im Raum genau einzuprägen. Wo waren Fluchtmöglichkeiten? Waffen? Versteckte Winkel? Es fiel ihr schwer, Susanne Möninghoff anzusehen. Ein Blickkontakt gelang ihr gar nicht.
»Die Liebe zwischen Hero und mir war erkaltet«, sagte Ann Kathrin. »Sonst hätte er sich nicht nach einer anderen Frau umgesehen. Ich kann ihr das nicht vorwerfen, verstehen Sie das nicht, Herr Hagemann? Wenn unsere Ehe gut und intakt gewesen wäre, hätte Hero sich vielleicht nach ihr umgesehen. Aber er wäre nicht mit ihr ins Bett gestiegen.«
Thomas Hagemann beharrte auf einer Antwort: »Und was soll jetzt an diesem Frank Weller besser sein?«
»Ich sehe es an der Art, wie er mich anschaut. Wie er lächelt, wenn er sieht, dass es mir gutgeht. Wie er sich Sorgen macht,
wenn er spürt, dass ich Kummer habe. Er möchte, dass die Welt für mich in Ordnung ist. Er benimmt sich, als sei ich ein Körperteil von ihm, auf das er aufpassen muss. Früher war Hero ganz genauso.«
»Sie hat Ihnen also noch einen Gefallen getan«, spottete Thomas Hagemann. Jetzt wandte er sich an Heinrich Jansen. Er ging zu ihm hin und streichelte ihm über die fettigen Haare. »Das kenne ich doch irgendwoher. Am Ende beginnen wir, unsere Peiniger zu lieben. Zu verehren. Wir verdanken ihnen alles, weil sie uns unseren halsstarrigen Willen genommen haben. Endlich sind wir wie ein Baum im Fluss. Wir versuchen nicht mehr, gegen den Strom zu schwimmen, sondern werden eins mit ihm. Wir erkennen, dass alles, was mit uns geschieht, Teil eines höheren Plans ist. Einer göttlichen Macht. Und wir ergeben uns ihr. Wissen Sie, Herr Jansen«, dozierte Thomas Hagemann, »es geht so weit, dass unsere Kommissarin sich angeboten hat, im Austausch gegen ihre Konkurrentin. Ja. Ihr untreuer Mann ist ihr so wichtig, sie möchte lieber selbst sterben und damit seine Geliebte retten. So tief und selbstlos ist ihre Liebe zu ihrem Mann.«
Jetzt griff Thomas
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