Ostfriesenblut
um weitermachen zu können.
Ubbo Heide löste eine Ringfahndung nach dem grünen Twingo aus.
Rupert räusperte sich: »Wir haben noch einhundertvierzehn Gebäude in Ostfriesland, in denen er sie gefangen halten kann. Wenn wir Ferienwohnungen oder normale Einfamilienhäuser ausschließen. Dazu kommen jede Menge Kähne.«
»Häh? Was?«, fragte Weller.
»Na ja, wer sagt uns denn, dass er sie nicht im Frachtraum von irgendeinem Kutter gefangen hält? Die Idee wäre gar nicht so dämlich.«
»Bei dem Wetter schon«, sagte Ubbo Heide. »Ich glaube kaum, dass sich jemand da draußen auf dem Meer aufhält. Er müsste jetzt schon in einem geschützten Hafen liegen.«
Mehr musste Weller nicht hören. Schon hatte er sein Handy am Ohr und gab Anweisungen in einer Klarheit, wie er es von Ann Kathrin gelernt hatte.
»Wenn wir nicht genügend Leute hier haben, werden eben Einsatzkräfte von Oldenburg und Bremen angefordert. Das Wetter ist mir scheißegal. Wir planen hier keinen Ausflug. Das alles geschieht jetzt, und zwar sofort. Und wenn das an irgendeinem bürokratischen Scheiß scheitert oder sich irgendeiner querstellt und den Arsch nicht hochkriegt, werd ich ihn persönlich … «
Ubbo Heide gab Weller ein Zeichen. »Halt die Bälle flach. Das ist kein Krieg, den du gegen jemanden persönlich führst. Es gibt keinen Kollegen im ganzen Land, der nicht auf unserer Seite wäre. Wenn sich alle an die Dienstvorschriften gehalten hätten, wären wir jetzt nicht in dieser gottverdammten Situation.«
»Ja«, schluckte Weller. »Entschuldigung. Aber ich … «
»Er liebt sie wirklich«, zischte Rupert. »Dann kann man schon mal ein bisschen aufdrehen.«
»Ja«, nickte Weller. »Da hast du recht. Ich liebe sie wirklich.«
Als Hero Klaasen sich mitten in der Nacht einen Ostfriesentee aufbrühte, weil er in dieser Situation und dann noch bei der Sturmflut sowieso nicht schlafen wollte, knickte der Sturm in Hage zwei Strommasten um, und Überlandkabel schlugen zusammen. Blaue Blitze erleuchteten die Nacht, dann war ganz Hage dunkel.
Mit einem Kerzenlicht und einer Taschenlampe bewaffnet, ging Hero in Eikes Zimmer. Er wollte den Jungen bei diesem Wetter nicht alleine lassen und jetzt, wo auch noch der Strom ausgefallen war, schon gar nicht.
Er hatte Eike heute noch nicht gesehen. Er fand das nicht so schlimm, dem Jungen war sicherlich klar, dass jetzt etwas anderes Priorität hatte. Er war den ganzen Tag herumgefahren und hatte Susanne gesucht, bis das Unwetter jedes Suchen unmöglich gemacht hatte.
Eike tat, als ob er schliefe, aber man musste kein Psychologe sein, um zu erkennen, dass da einer nur so tat, als ob.
Mit dem Teelicht in der Hand, noch ein bisschen nach Ostfriesischer Goldblattmischung duftend, setzte Hero sich auf sein Bett.
»Das ist nicht die Nacht, um zu schlafen. Etwas geschieht. Draußen in der Natur, genauso wie in uns. Es ist etwas Bedeutendes. Ich spüre es richtig im Magen. Vielleicht werden wir sie schon bald wiederbekommen, unsere Susanne«, sagte Hero.
Eike wandte sein Gesicht von ihm ab, zur Wand hin. Hero streichelte seinen Sohn behutsam. Dabei zuckte der Junge so merkwürdig zusammen, dass Hero sein Teelicht näher an sein Gesicht heranbrachte.
»Was ist mit dir? Was hast du?«
Im Kerzenlicht konnte Hero es nicht gut erkennen. Noch hielt der Stromausfall an, also leuchtete er seinem Sohn mit der Taschenlampe ins Gesicht. Eike hielt sofort die Hand gegen den Lichtstrahl und wehrte ab: »Papa hör auf!«
Doch die kurze Helligkeit in seinem Gesicht hatte ausgereicht. Erschrocken fragte Hero: »Wer hat dich so zugerichtet?«
Jetzt setzte Eike sich im Bett auf und gestand: »Ich hab mit Mama telefoniert. Sie hat gesagt, ich soll die Wahrheit sagen. Ich war das doch mit dem Koffer gar nicht. Ich hab ihn nicht nach Hannover gebracht, sondern der Marcel. Seine Eltern leben getrennt. Sein Vater wohnt in Hannover. Er besucht ihn da alle vierzehn Tage am Wochenende. Die Fotos waren von mir, die hab ich gemacht, aber das mit der Bombendrohung nicht … «
»Wer hat dich so vermöbelt?«
»Marcel. Er hat gesagt, wenn ich nicht die Schnauze halte, dann … «
Hero wusste nicht, ob er gerade wütend auf seine Frau war oder ob er ihr dankbar sein sollte.
»Warum hast du mir nichts gesagt? Du legst dich einfach so ins Bett und … «
»Du hast dich doch auch nicht für mich interessiert, Papa.«
»Na hör mal! Man hat Susanne entführt und … «
»Ich weiß. Ich hab’s nicht so gemeint«,
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