Ostfriesenblut
was ist schon dabei«, entschuldigte er ihn. »Er hatte halt seine Masche. Wenn die Mädchen mit den tollen Typen Schiffbruch erlitten hatten, wurde so ein unansehnliches Kerlchen, das gut zuhören konnte, plötzlich zum Helden. Da mussten sie wenigstens keine Angst haben, dass eine andere ihnen den wegschnappt … « Weller lachte. »Dachten sie zumindest. In Wirklichkeit hat der immer mehrere gleichzeitig getröstet, der alte Schwerenöter. Kein Wunder, dass er Therapeut geworden ist. Der Beruf ist für den ein Superblatt. Grand Hand mit vier Bauern und allen Assen.«
»Und den hast du dann angerufen, und er hat dir am Telefon Auskunft gegeben?«
»Nein. Der wohnt doch hier gleich um die Ecke. Ich bin einfach
vorbeigegangen. Ich hab mir die wichtigsten Sachen aus den Akten schon kopiert.« Weller stockte, weil ein Blick von Ann Kathrin ihn traf, der ihm fast Angst machte.
»Wenn wir das hier nicht sauber regeln«, stellte Ann Kathrin fest, »wird ihr Anwalt es uns später in der Luft zerreißen.«
»Ach, komm, Ann Kathrin, das ist doch nun wirklich eindeutig.«
»Es ist schon mancher freigekommen, weil wir zwar alle Beweise gegen ihn hatten, aber die vor Gericht nicht gewertet werden durften. Wir sind die Guten, Weller. Die anderen sind die Bösen. Wir halten uns an die Regeln, die anderen verstoßen dagegen. Das ist das Spiel.«
Er stellte fest, dass sie ihn wieder
Weller
und nicht mehr
Frank
genannt hatte. Er begann sich damit abzufinden, heute Nacht nicht bei ihr im Distelkamp in Norden schlafen zu können, sondern in seine Wohnung nach Aurich zurückfahren zu müssen.
Mist, dachte er. Diese Frau ist wirklich kompliziert. Erst läuft alles so gut, und dann … Er ärgerte sich über sich selbst. Wahrscheinlich hatte er es gerade voll vergeigt.
»Ach komm, Ann Kathrin, stell dich nicht so an. Das muss doch niemals jemand erfahren. Ich bin mit Blankenheim zusammen erwachsen geworden. Er hat meine abgelegten Freundinnen gehabt. Da hält man sich nicht an den Dienstweg.«
Ann Kathrin fuhr ihn heftiger an, als sie wollte: »Du bist nie erwachsen geworden, Weller!«
Er hielt sie an den Schultern fest. Er wollte sie dazu bringen, ihm in die Augen zu sehen. »O. K., komm. Machen wir Schluss. Direkt jetzt, hier auf der Straße. Ist es das, was du willst?«
Sie antwortete nicht, starrte ihn nur an. Er fragte sich aber, ob er wirklich von ihr gesehen wurde. Oder lief in ihrem Kopf gerade ein ganz anderer Film ab?
»Ich hab dich nicht mit diesem Busenwunder betrogen, sondern Hero.«
»Das weiß ich. Warum sagst du das jetzt?«
»Weil du mich dafür büßen lässt, und da hab ich keine Lust drauf.«
Er ließ sie stehen und ging zum Auto. Sie lief hinter ihm her. Er beschleunigte seine Schritte.
»Verzeih mir«, sagte sie. »Ich hab die Nerven blank. Das mit meinem Sohn wurmt mich unheimlich. Ich weiß nicht, was ich machen soll, und ich … «
Er nahm sie in den Arm und drückte sie an sich. »Diesen Fall hier haben wir praktisch gelöst, Ann Kathrin. Die Mörderin ist auf Nummer sicher im Krankenhaus. Ich mach dir einen Vorschlag: Wir kümmern uns heute Abend um gar nichts. Weder lassen wir uns den Rest des Tages von deinem Sohn nehmen noch von irgendwelchen juristischen Spitzfindigkeiten. Wir fahren jetzt zu dir, kochen was Schönes und dann … «
»Ich kann doch meinen Sohn jetzt nicht so einfach … «
»Morgen ist auch noch ein Tag. Und das Leben geht weiter. Wenn man einmal zwischendurch Luft holt, wird alles viel leichter.«
Ann Kathrin spürte, dass er recht hatte. Was passiert war, war passiert. Und das Leben musste nicht an einem einzigen Tag stattfinden. Sie wollte mit Frank Weller nicht die gleichen Fehler machen wie mit ihrem Mann und ihrem Sohn.
»Vielleicht hast du recht«, sagte sie. »Aber ich weiß nicht, ob ich es jetzt schaffe, mich auf etwas anderes zu konzentrieren als … «
Er unterbrach sie. »Als was? Als deine Mutterpflichten? Oder deinen Brotberuf? Du bist eine gute Kommissarin, Ann Kathrin. Und glaub mir, ich wär froh gewesen, wenn ich so eine klasse Mutter gehabt hätte. Oder so eine super Frau.«
»Dafür kennst du mich noch nicht lange genug, Weller«, protestierte sie. Trotzdem taten seine Worte ihr gut.
Noch im Auto beschlossen sie, ein ganzes Menü zu kochen.
Ann Kathrin befürchtete, dafür gar nicht genug im Haus zu haben, doch Weller bezeichnete sich beim Kochen als Improvisationsgenie. »Wir nehmen das, was da ist. Und ich wette, es reicht für drei
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