Ostfriesenblut
»Ich wette, er hat seiner Oma den PC eingerichtet.«
Als Bastian Kühlberg öffnete, war er barfuß, trug zu große weiße Boxerhorts mit knallroten Herzchen drauf und ein schwarzes Muskelshirt von Diesel. Als er sah, dass Ann Kathrin Klaasen allein war, lächelte er sie an, ließ sie augenzwinkernd in die Wohnung und sagte: »Ich dachte mir schon, dass Sie wiederkommen, um sich von mir fotografieren zu lassen. Die meisten tun erst ganz empört, und dann denken sie darüber nach, und es beginnt zu prickeln und lässt ihnen keine Ruhe. Und irgendwann stehen sie dann hier. Ihr Freund darf es natürlich nicht erfahren, Ihr Ehemann schon gar nicht und die Eltern natürlich auch nicht. Aber keine Sorge, ich bin verschwiegen.«
Ann Kathrin Klaasen ging an den aufgespannten BHs vorbei, schubste sie spielerisch mit der Hand an und sagte: »Sie sind doch nicht wirklich so dämlich zu glauben, ich sei deswegen gekommen? Dafür, dass Sie Ihre Oma so gern hatten, trauern Sie übrigens erstaunlich wenig.«
»Was wollen Sie von mir?«, fragte er.
Ann Kathrin hörte in der Küche jemanden mit Töpfen klappern. Es roch nach angebratenen Zwiebeln und Knoblauch.
»Ich glaube, es ist besser, wenn wir allein reden.«
Er winkte sie in sein Zimmer durch. Dort war ein Fotostativ aufgebaut, darauf eine Kamera.
Auf seiner Matratze saß ein Mädchen, unten ohne, nur mit T-Shirt bekleidet. Sie suchte rasch nach ihrem Slip und zog sich an.
»Äi, was bringst du die mit hier rein? Spinnst du?«
»Ich dachte, Sie fotografieren Mädchen oben ohne. Ist unten ohne ein neues Kunstwerk?«
Das junge Mädchen warf Ann Kathrin aggressive Blicke zu.
Bastian Kühlberg antwortete mit vor der Brust verschränkten Armen: »Genau. Ein zweites Kunstwerk. Unten-ohne-Fotos. Und ich klebe Schamhaare dazu. Auch wenn das nicht in Ihre Spießermoral passt, strafbar ist es nicht.«
Ann Kathrin zeigte auf das junge Mädchen. »Es sei denn, sie ist noch minderjährig. Darf ich mal Ihren Ausweis sehen?«
»Oh, Mann, äi«, stöhnte sie. »Du bringst mich nur in Schwierigkeiten!«
Sie sei mit ihren Eltern gerade erst aus dem Ruhrgebiet hier hochgezogen. Bastian war der interessanteste Junge, den sie bisher hier kennengelernt hatte.
»Ich hab meinen Ausweis nicht mit.«
»Das sollten Sie aber. Ich müsste Sie jetzt eigentlich mitnehmen, um Ihre Personalien festzustellen.«
Bastian Kühlberg hob die Arme und ließ sie demonstrativ wieder herunterfallen. »Was wollen Sie aus mir machen? Einen Mörder? Einen Testamentsbetrüger und einen, der Kinderpornographie macht? Haben Sie nur solchen Mist im Kopf?«
Irgendetwas stimmte Ann Kathrin Klaasen im Moment milde. Sie wusste selbst nicht, was es war. Vielleicht die Offenheit von Bastian.
»Warten Sie einen Moment draußen. Ich muss mit Ihrem Freund alleine reden.«
Das Mädchen wollte aus dem Zimmer huschen. Bastian versuchte, sie festzuhalten.
»Ich bin nicht ihr Freund. Sag ihr, dass ich nicht dein Freund bin. Sag ihr, dass wir nichts miteinander haben. Ich fotografiere sie nur, Frau Kommissarin. Kapieren Sie das nicht?«
Wie um seine ehrlichen Absichten zu demonstrieren, öffnete er die edle Truhe und hob einen Stapel Schwarzweißfotos heraus. Es waren wirklich ausschließlich Unten-ohne-Fotos von schmalhüftigen Frauen oder jungen Mädchen. Auf keinem war das Gesicht zu sehen. Die Fotos begannen kurz über dem Bauchnabel und endeten ein paar Zentimeter über dem Knie. Jedes Foto war in einer schützenden Klarsichtfolie, und darunter klebten auch Schamhaare.
Ann Kathrin war wirklich nicht gekommen, um sich diese
Fotos anzugucken, doch sie hatte das Gefühl, diese Kunstwerke jetzt irgendwie kommentieren zu müssen, bevor das Gespräch weiterging. Doch fiel ihr nichts weiter ein als: »Packen Sie das weg.«
Er tat es und berührte die Fotos so liebevoll und schichtete sie so sorgfältig übereinander, dass er Ann Kathrin Klaasen damit schon wieder fast für sich einnahm.
»Haben Sie etwas aus der Wohnung Ihrer Oma entwendet?«
»Ach, jetzt machen Sie mich auch noch zum Dieb?«
»Ihre Oma hatte einen Laptop. Wo ist der?«
Er zeigte ihn sofort vor. »Ja, meine Oma ist sehr modern gewesen. Sie hat immer gesagt, dass der Computer nach ihrem Tod mir gehören soll, weil ich schließlich ständig bei ihr war, um ihr alles einzurichten. Mit Viren ist sie nie fertig geworden, aber weil sie so viel im Internet herumsurfte, habe ich ihr immer wieder neue Virenschutzprogramme draufgezogen. Sie war eine
Weitere Kostenlose Bücher