Ostfriesenblut
ob er so dämlich guckte, weil er riechen konnte, dass sie eine Affäre mit Weller hatte, oder ob es was mit ihrem Sohn zu tun hatte. Aber sie fragte nicht.
Hero ging mal wieder nicht ran, weil er eine Klientin hatte. Stattdessen hob Susanne Möninghoff ab. Ihre Stimme war zunächst verbindlich-freundlich. Spielte sie jetzt die Sekretärin für ihn?
Als Susanne Möninghoff hörte, wer am Apparat war, verlor ihre Stimme alle Wärme und bekam einen eisigen, distanzierten Unterton. »Er kann jetzt nicht. Sie rufen innerhalb der Sprechstunde an. Ich werde ihm sagen, dass er Sie zurückrufen soll, sobald er Zeit hat.«
O nein, so ließ sie sich nicht abspeisen. Hier wurden ja Wertigkeiten festgelegt. Seine Termine waren wichtiger als ihre. Sie musste zur Verfügung stehen, wenn der Herr mal Zeit hatte.
»Bitte geben Sie mir meinen Mann. Es geht um unseren Sohn«, sagte Ann Kathrin Klaasen hart.
»Hero weiß Bescheid. Wir haben alles schon gestern Abend besprochen.«
Ann Kathrin wurde jetzt doch lauter, obwohl sie sich so sehr vorgenommen hatte, die Ruhe zu bewahren: »Na, das ist ja reizend! Sie haben schon alles gestern Abend besprochen?! Aber
ich
möchte es gerne mit ihm besprechen! Ich bin die Mutter, und er ist mein Mann.«
»Er war Ihr Mann. Jetzt wohnt er bei mir. Wir sind ein Paar, Frau Klaasen. Finden Sie sich doch bitte damit ab. Das hier ist nicht irgend so eine kleine, schmutzige Affäre. Er wird nicht eines Tages reumütig zu Ihnen zurückkommen. Er hat sich für mich entschieden. Je eher Sie das akzeptieren, umso besser für alle Beteiligten.«
»Schön. Sind Sie fertig? Kann ich dann jetzt meinen Mann sprechen?«
»Ich sagte Ihnen doch, er hat eine Klientin. Wenn Sie als Ehefrau auch so wenig Verständnis für seine Arbeit und seine Bedürfnisse hatten, ist es ja kein Wunder, dass er … «
Es reichte Ann Kathrin. Das musste sie sich nicht sagen lassen. Sie legte auf und schrieb Hero stattdessen eine E-Mail.
Von: Ann Kathrin
An: Hero
Betreff: Eike
Lieber Exmann,
deine Vorstopperin lässt mich nicht zu dir durch. Wenn wir uns auch nicht mehr lieben, so haben wir doch wenigstens noch ein gemeinsames Problem, das uns verbindet: Unser Sohn braucht einen Anwalt, und zwar einen guten, sonst sind wir alle ruiniert. Ich möchte ein Gespräch mit dir führen, und zwar auf neutralem Boden, am besten direkt beim Anwalt.
Ich schlage die Anwaltskanzlei Kirsch & Hinrichs vor.
Ann Kathrin
Die Antwort von Hero kam umgehend. Sie musste keine gewiefte Kriminalkommissarin sein, um daraus zu folgern, dass er überhaupt keine Klientin bei sich hatte.
Von: Hero
An: Ann Kathrin
Betreff: AW : Eike
Liebe Ann Kathrin,
ich habe mit Frau Flöckner bereits gesprochen. Wir müssen uns keine Sorgen darum machen. Sie wird ihn nicht anzeigen und die Sache auf sich beruhen lassen.
LG , Hero
Ann Kathrin tippte die Antwort so schnell und heftig ein, dass Rupert den Kopf schüttelte. »Die Tastatur kann doch nichts dafür.«
Von: Ann Kathrin
An: Hero
Betreff: Eike
Schöne Grüße an deine Klientin. Ich finde es toll, dass sie nichts dagegen hat, wenn du während der Sitzungen deine Mails beantwortest.
Die Lehrerin ist nicht das Problem, sondern die Bahn. Falls du vorhast, nach unserer Scheidung dein Busenwunder zu heiraten, kann ich nur für sie hoffen, dass euer Gütertrennungsvertrag niet- und nagelfest ist, denn in solchen Fällen haften Eltern für ihre Kinder. Und wir wollen doch nicht, dass ihr schönes Häuschen unter den Hammer kommt.
Sauer,
Ann
Ann Kathrin telefonierte kurz mit der Kanzlei Kirsch & Hinrichs. Sie machte es dringend und bekam tatsächlich noch einen Termin. Es sei etwas geplatzt, heute um 12 hätte Herr Kirsch eine halbe Stunde Zeit für Ann Kathrins Probleme.
Ann Kathrin mailte das an Hero, verbunden mit der Hoffnung, dass keine seiner Klientinnen genau zu dem Zeitpunkt eine tiefe Beziehungskrise habe. Sie schlug vor, er solle Eike mitbringen.
Hero antwortete darauf augenblicklich, Eike habe zu dem Zeitpunkt noch Schule.
Ann Kathrin konterte:
Es gibt Prioritäten.
Die wichtigsten Dinge zuerst.
Bring ihn bitte mit!
Es klopfte an die Tür, und noch bevor sie »Herein« sagen konnte, wurde die Tür von einem hageren Mann aufgerissen. Er hatte braunes, welliges Haar mit einigen silbernen Strähnchen darin. Etwas an ihm sagte ihr, dass er Vegetarier war. Er hatte lange, feine Finger, fast Frauenhände, und gestikulierte damit. Er war aufgeregt und wollte sofort
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