Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
etwas loswerden.
    Ann Kathrin hatte niemanden zu sich bestellt und heute Morgen keinen offiziellen Termin, also fragte sie zunächst. »Wer hat Sie hereingelassen?«
    Er winkte ab, als sei das völlig unwichtig. »Ich bin Dr.Blankenheim. Ein Freund von Ihrem Kollegen Weller. Er hat mir erzählt, dass Sie … «
    Ann Kathrin Klaasen setzte sich anders hin. »Ach, Sie sind Dr.Blankenheim, der Therapeut von Frau Orthner?«
    Er nickte erfreut, als hätte sie ihm gerade einen Orden verliehen, nur dadurch, dass sie von seiner Arbeit wusste.
    »Sie müssen aufpassen. Die Frau ist eine tickende Bombe. Ich
habe sie jedenfalls nicht mehr im Griff und lehne jede Verantwortung dafür ab.«
    Ann Kathrin verstand sofort, was ihn hierhertrieb. Psychologen waren in der letzten Zeit durch einige Gerichtsgutachten, in denen sie dazu beigetragen hatten, dass gefährliche Gewalttäter als geheilt entlassen worden waren, in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht geraten. Er wollte jetzt auf keinen Fall dastehen wie einer, der die Gefährlichkeit seiner Patientin unterschätzt hatte.
    »Ihre Mitarbeit bieten Sie uns leider ein bisschen spät an. Das Kind ist schon in den Brunnen gefallen, wenn ich es mal so ausdrücken darf. Der GAU ist eingetreten. Also, was haben Sie mir jetzt zu sagen? Wenn Sie vor ein paar Tagen gekommen wären, hätten wir es vielleicht noch verhindern können … «
    »Sie hat ihre Medikamente abgesetzt. Ich garantiere Ihnen, dass sie ihre Medikamente abgesetzt hat. Sie war eigentlich sehr gut eingestellt, aber sie wollte sich nicht eingestehen, dass sie Psychopharmaka braucht. Immer und immer wieder hat sie das Zeug abgesetzt, und dann kommen ihre Schübe. Erst autoaggressiv und dann … «
    »Es ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie herkommen, Dr.Blankenheim, aber ich glaube kaum, dass Sie mir im Moment weiterhelfen können. Es sei denn, sie hätte Ihnen gegenüber die Tat gestanden. Ist das so?«
    Er schwieg und drückte die Fingerspitzen gegeneinander, als ob er daraus die Antwort saugen könnte. Ann Kathrin verglich ihn mit Wellers Beschreibung. Aus dem kleinen, dicken Jungen hatte sich ein völlig anderer Mensch entwickelt. Sie konnte sich vorstellen, dass die Frauen auf ihn flogen. Er war ihr ein bisschen zu hektisch, aber viele Menschen waren aufgeregt, wenn sie eine Polizeiinspektion betraten. Einige im Leben sonst eher ruhige und besonnene Typen machten sich manchmal durch blödsinnige Bemerkungen verdächtig oder wirkten viel unsympathischer,
als sie in Wirklichkeit waren. Fachleute, die die Fälle schneller lösten als die Polizei, waren ihr im Grunde zuwider. Sie sahen die Dinge nur aus einem einzigen Blickwinkel, nämlich dem eigenen, aber so monokausal waren die Dinge meistens nicht. Dem Versuch, in einem Kriminalfall der bessere Ermittler zu sein, konnten nur die wenigsten widerstehen. Es war doch eine große narzisstische Befriedigung, an der Aufklärung eines Falles beteiligt zu sein. Man konnte sich schlauer fühlen als die Polizei, und wenn auch sonst im Leben vieles schieflief, konnte man doch wenigstens seinen Freunden erzählen, wie man der ostfriesischen Polizei auf die Sprünge geholfen hatte. Sie kannte dieses Spiel. Früher war sie oft auf Fachleute hereingefallen. Nein, in diese Falle tappte sie nicht mehr.
    Rupert schlug vor, die Dame im Krankenhaus unter Polizeiaufsicht zu stellen, »damit sie nicht türmt«.
    Ann Kathrin zögerte.
    »Was willst du noch?«, fragte Rupert. »Die Sache ist doch völlig klar. Sie hat ihre Mutter umgebracht, und jetzt macht sie im Krankenhaus einen auf schweren Schock. In Wirklichkeit ist die doch nicht vor Trauer zusammengeklappt, als ihre Mutter tot war, sondern erst, als ihr Sohnemann die Leiche vor deine Haustür gelegt hat. Die weiß genau, dass er weiß, was sie gemacht hat. Und die weiß, dass alles herauskommen wird.«
    Jetzt kam Weller herein. Sie registrierte sofort, dass er ein frisches Hemd angezogen hatte. Er begrüßte seinen alten Freund.
    Rupert wurde das jetzt alles zu viel. Mit Blicken gab er Weller zu verstehen, er solle diesen Typen endlich nach draußen befördern. Dann schlug Rupert Ann Kathrin vor, den Fall abzugeben: »Du bist nicht mehr professionell, Ann. Vielleicht liegt es daran, dass sie die Leiche vor deiner Tür abgeladen haben. Ich schlage vor, dass du dich in dieser Geschichte für befangen erklärst und sie einfach an mich abgibst.« Gleichzeitig hob er abwehrend die Hände. »Glaub ja nicht, ich hätte sonst nichts

Weitere Kostenlose Bücher