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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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schwanger war, aber sie fand, sie sah aus wie im vierten Monat. Endlich wurde sie wieder geliebt, doch sie fühlte sich hässlicher denn je.
    Ich sollte definitiv abnehmen, dachte sie. Und ich muss dringend mal wieder zum Friseur. Ich muss aufhören, diese schrecklich weiten Pullover zu tragen, und einfach wieder mehr aus mir machen.
    Mit dem Passwort
Bastian
hatte sie sofort Zugriff auf alle Daten. Sie fand ein paar hundert E-Mails. Bastian Kühlberg schien die Wahrheit gesagt zu haben. Seine Oma hatte Freunde und Freundinnen in der ganzen Welt. Mit einigen schrieb sie sich, mit den anderen telefonierte sie. Manchmal ging es um Antiquitäten, dann wieder darum, wie schlecht die Jugend heute war und wie gut es doch in den alten Zeiten gewesen war.
    Ein Weltbild wurde sichtbar, aber nichts besonders Auffälliges.
    Ann Kathrin klickte im Menü auf
Verlauf
und überprüfte die Websites, die Frau Orthner im World Wide Web besucht hatte.
Es waren fast siebzig gespeichert. Die alte Dame musste täglich mehrere Stunden am Computer verbracht haben, praktisch bis zu dem Zeitpunkt, als sie an den Stuhl gefesselt wurde.
    Wonach hatte sie im Netz gesucht? Es gab keine klare Richtung. Sie interessierte sich für Museen und Kunst, für kirchliche Foren und theologische Fragen, für Krebsmedikamente und Betten, in denen man sich angeblich gesundschlafen konnte.
    Dann sah Ann Kathrin sich Frau Orthners digitales Fotoalbum an. Merkwürdig, dachte sie, dass Frau Orthner in ihrem Alter Fotos im Computer hat. Ihr selbst war das komisch. Sie brauchte immer Ausdrucke. Sie wollte richtige Bilder in den Fingern haben. Was nur digital gespeichert war, existierte für Ann Kathrin nicht wirklich. In dieser Frage fühlte sie sich einer anderen Generation zugehörig. Sie wollte Fotos in der Hand halten, sie anschauen und sie in ein Album kleben.
    Als sie das Fotoalbum öffnete, erschrak sie so sehr, dass sie ihren Kaffee verschüttete. Ein paar Tropfen fielen sogar auf die Tastatur des Laptops. Schnell versuchte sie, alles abzuputzen.
    Ihr Sohn Eike hatte mal ein Glas Cola über die Tastatur von seinem Laptop gegossen, was zum wirtschaftlichen Totalverlust des Computers geführt hatte.
    Die Entdeckung war so grauenhaft, dass Ann Kathrin den Laptop am liebsten von ihren Knien gestoßen hätte. Die Bilder dokumentierten den Tod von Frau Orthner. Auf den ersten Fotos sah sie noch empört aus. Sie riss die Augen auf und schimpfte, saß aber schon, an Hand- und Fußgelenken gefesselt, auf dem Stuhl. Die weiteren Fotos zeigten ihren zunehmenden körperlichen und seelischen Zusammenbruch.
    Auf einem Bild war nur noch das Weiße in ihren Augen zu sehen, auf dem letzten hing ihr Kopf kraftlos nach unten, so als läge sie bereits im Koma.
    Ann Kathrin hob den Computer vorsichtig hoch und stellte ihn auf den Wohnzimmertisch. Sie wischte sich über ihre Oberschenkel,
als müsse sie die Energie, die der Laptop dort hinterlassen hatte, von ihrem Körper entfernen.
    Wer hatte diese Frau so sehr gehasst, dass er ihren langsamen Tod dokumentierte? Der Täter wollte offensichtlich, dass die Bilder gefunden wurden, sonst hätte er sie nicht auf dem Computer hinterlassen. Oder hatte Bastian Kühlberg den Laptop gestohlen, damit niemand die Fotos fand? Warum hatte er sie nicht sofort gelöscht, wenn er von ihnen wusste?
    War der Täter die ganze Zeit zusammen mit Frau Orthner in der Wohnung gewesen und hatte sie alle paar Stunden geknipst? Oder war er immer wieder zurückgekommen, um ein neues Bild zu machen? Wie waren die Bilder überhaupt auf den Computer gekommen? Hatte er sie von Ferne überspielt oder sie mit einem USB -Stick einfach aufgeladen? Wem wollte der Täter was damit beweisen? War das Ganze eine Machtdemonstration?
    Ann Kathrin lief ins Schlafzimmer und weckte Weller. Sie sagte nichts. Sie schüttelte ihn nur. Er schien das misszuverstehen, denn er sagte mit trockenem Mund: »Ich kann nicht mehr, Ann Kathrin. Du hast mich geschafft. Ich bin keine siebzehn mehr.«
    »Komm einfach mit. Ich muss dir was zeigen. Schnell.«
    Sie fragte sich, warum sie ihn zur Eile trieb. Es war mitten in der Nacht, und die Bilder liefen schließlich nicht weg. Trotzdem wollte sie ihm die Fotos sofort zeigen und keine Sekunde Zeit verlieren. Es war, als müsse er ihr bestätigen, dass es diese Dinger wirklich gab. Das alles war so ungeheuerlich, sie musste den Anblick mit jemandem teilen, um ihn verarbeiten zu können.
    Ann Kathrin zerrte Weller aus dem Bett und zog ihn am

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