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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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er!«
    »Wer?«
    »Der Zusammenhang zwischen den beiden Frauen. Sie kannten ihn beide. Er hat jeder von ihnen ein Buch signiert.«
    »Das ist heiß, Ann. Ganz heiß. Hinten drin steht, dass er 1920 geboren wurde, sagt der Kollege aus Oldenburg. Er kann also schlecht unser Mörder sein. Er muss jetzt auf die neunzig zugehen. Er hat als Offizier am Zweiten Weltkrieg teilgenommen, ist zweimal verwundet worden.«
    Weller wollte aufzählen, was er sonst noch gehört hatte, doch er merkte sofort, wie sinnlos das war. Schließlich hielt Ann Kathrin das Buch ja selbst in der Hand.
    »Er ist natürlich nicht der Mörder. Aber ich wette, er ist … «
    Weller fiel ihr ins Wort: »Der Mann auf den Fotos!«
     
    Die Nacht hatte deutliche Spuren in den Gesichtern hinterlassen. Zwei Kollegen aus Oldenburg waren dabei, zwei aus Jever.
Zwei hervorragende Profiler vom BKA aus Wiesbaden waren nach Aurich unterwegs, bereit, die SOKO als Fallanalytiker zu beraten und nach den neuesten Methoden den Mörder aufzuspüren. Michael Baurmann hatte sie ausgebildet.
    Neuerdings wurden die SOKOs BAOs genannt. Besondere Aufbauorganisationen. Aber daran würde sich hier in Ostfriesland nie jemand gewöhnen. Hier sprach weiterhin jeder von der SOKO .
    Ann Kathrin Klaasen hoffte, den Fall noch vor dem Eintreffen der Kollegen aus Wiesbaden gelöst zu haben.
    Rupert sah merkwürdig aufgekratzt aus, als hätte er Speed genommen.
    Staatsanwalt Scherer wirkte immer noch zerknirscht, wie jemand, der eigentlich keine Zeit für den Kinderkram hier hatte, weil wichtige, dringendere Termine auf ihn warteten. Er war nicht wirklich in diesen Laden integriert, und er hätte seine Arbeit am liebsten vom Schreibtisch aus gemacht. Er mochte Akten und Ruhe beim Lesen. Ein gutes Kännchen Ostfriesentee. Kluntje, richtige Sahne, keine Milch. Am liebsten eine Pfeife dabei. Er rauchte leichte, parfümierte Virginia-Tabake. Aber das ging im Büro schon lange nicht mehr. Aus seiner Pfeife konnte er Ruhe saugen. Woher sollte die Ruhe jetzt kommen, wenn alle so aufgeregt waren?
    Ubbo Heide sah zombiehaft aus, ein bisschen wie ferngesteuert. Er war im Grunde schon zu alt für so etwas, fand er. Er brauchte seinen regelmäßigen Schlaf und feste Essenszeiten. Er trank schon die dritte Dose Red Bull. Seit ihm klar war, dass die vielen aufputschenden Espressi ihn im Grunde nur fertigmachten, war Red Bull seine neue Droge.
    Es war inzwischen kurz vor vier Uhr morgens. Ubbo Heide fand, Ann Kathrin Klaasens Theorie, Heinrich Jansen sei das neue Opfer, ziemlich weit hergeholt. Trotzdem wollte er ihr nicht widersprechen. Noch hatten sie keine andere, schlüssige
Annahme. Auf keinen Fall wollte er derjenige sein, der ihre Theorie in Zweifel zog, bevor eine bessere da war. Wie würde er dastehen, wenn sie am Ende recht behielt? Nein, sie mussten jeder Spur folgen, da kam es darauf auch schon nicht mehr an.
    »Er hat ein Buch über Schwarze Pädagogik geschrieben. Er ist sozusagen ein prominenter Verfechter dieser Linie – gewesen«, erklärte Ann Kathrin.
    Rupert verzog die Mundwinkel nach unten. »Prominent?! Sein Gesicht ist nicht gerade auf jeder Briefmarke. Prominent war er vielleicht bei seinen fünf Freunden.«
    »Nach dem Krieg gab es viele elternlose Kinder. Viele waren ausgebombt. Hatten kein Elternhaus mehr und niemanden, der sich um sie kümmerte. Damals hatte die Schwarze Pädagogik viele Anhänger. Sie gründeten Heime und nahmen Kinder auf. Es gab staatliche Hilfsmittel. Auch in Ostfriesland sind damals viele solcher Heime entstanden. Der Einfluss der Schwarzen Pädagogen ging noch bis Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre. Viele, die von den Nazis zu Demokraten erzogen worden waren, fühlten sich dort sehr wohl. Lehrer, Erzieherinnen, Offiziere, die nach langen Fronteinsätzen jetzt zurück in den Schuldienst kamen … «
    Weller überlegte, ob sie das ironisch gemeint hatte: »Die von Nazis zu Demokraten erzogen worden waren«, oder ob es ein Versprecher war. Manchmal sagte Ann Kathrin solche Sachen. Sätze mit Widerhaken. Wollte sie damit die Situation von damals karikieren? Plötzlich sollte eine Demokratie da sein, und alle wollten entnazifiziert werden und als Demokraten durchgehen?
    Staatsanwalt Scherer raschelte so sehr mit seinen Papieren, dass Weller ein paar Worte von Ann Kathrin nicht mehr verstand. Er warf Scherer einen missbilligenden Blick zu, was der zur Kenntnis nahm.
    Der Raum, in dem sie tagten, war für einen Krisenstab eingerichtet.
Von

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