Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
führt uns an der Nase herum. Er weiß, dass wir die Fotos veröffentlichen. Er will es sogar.«
    »Na und?«, empörte Rupert sich.
    Weller schwenkte sofort um und stellte sich hinter Ann Kathrin. Er atmete tief durch und sagte so sachlich wie möglich:
»Wenn wir ihn über die Veröffentlichung der Fotos finden könnten, hätte er sie uns nicht geschickt.«
    »Was soll das heißen?«
    »Keine Ahnung. Ich glaube einfach nicht, dass er so dämlich ist. Er will, dass wir die Bilder veröffentlichen und dass es dann zu einer Panik kommt. Alle werden über ihn reden. Er wird überall auf Seite eins stehen. Vielleicht will er das. Es schmeichelt seiner Eitelkeit.«
    Ann Kathrin nickte. Ihre Stimme krächzte. Sie brauchte dringend ein Glas Wasser. »Ja, da kann etwas dran sein. Er will uns benutzen.«
    Rupert gestikulierte hilflos. »Ja, was soll das jetzt hier? Wird nun jede kriminalistische Arbeit auf den Kopf gestellt? Werden wir in Zukunft keine Fahndungsfotos mehr veröffentlichen, weil das ja nur die Popularität des Täters steigert und seinem Ego schmeichelt?«
    Rupert steckte die rechte Hand tief in die Hosentasche und zog ungeniert am Gummiband von seinem Slip. Er machte eine Verrenkung mit dem Bein, aber auch dadurch wurde es nicht besser. Ihm taten die Eier weh. In Stresssituationen wie dieser fühlten sie sich an, als würden sie von innen aufgepumpt und könnten jeden Moment platzen. Jede kleine Berührung des Stoffes war dann schmerzhaft. Er wusste gar nicht, wie er sich hinsetzen sollte. Am liebsten stand er dann breitbeinig und ließ die Eier baumeln. Aber seine viel zu eng geschnittenen Retro-Shorts erlaubten das nicht. Wenigstens tat sein Rücken im Moment nicht weh. Das bedeutete, er segelte im Aufwind. Er lächelte grimmig.
    »Ich glaube«, sagte Weller, »während wir unsere Karten ordnen, könnten wir alle einen Espresso vertragen.«
    »Hat jemand Scherer angerufen?«, fragte Ubbo Heide. Im gleichen Moment klingelte es, und der Staatsanwalt war da.
    Er sah nicht aus wie ein Mann, der aus dem Bett geholt
worden war. Er trug einen cremefarbenen Sommeranzug, ein eidotterfarbenes Hemd und eine schwarze Krawatte mit kleinen, zum Hemd passenden gelben Punkten und cremefarbenen Schrägstreifen, die ein bisschen aussahen wie Salzstangen. Der Anzug war neu. Der Kniff in den Hosenbeinen war scharf, und in den Kniebeugen gab es noch keine Falten.
    Weller fragte sich, was für eine Schuhcreme er benutzte, denn seine Lackschuhe glänzten, als seien sie von innen beleuchtet. Weller kam sich neben ihm plötzlich mickrig und unattraktiv vor.
    Rupert ging es genauso, nur im Gegensatz zu Weller schluckte Rupert das nicht hinunter, sondern fragte: »Klasse Anzug, Herr Scherer. Vom Flohmarkt?«
    Scherers Nase war gerötet. Der Heuschnupfen machte ihn fertig. Er hatte vom Niesen schon blutunterlaufene Augen. Er nahm in Ann Kathrins Bürosessel Platz und sah sich auf dem Bildschirm die Fotos an. Augenblicklich schwitzte er sein Hemd durch. Am liebsten hätte er sich die Krawatte vom Hals gerissen und die Knöpfe an seinem Hemd geöffnet. Doch er wollte sich jetzt keine Blöße geben.
    Der Kater Willi, der sich vor den vielen Menschen unterm Schreibtisch verkrochen hatte, mochte die Farbe von Scherers Anzug. Er stürzte sich auf sein Hosenbein und begann loszurammeln. Scherer stieß mit dem Fuß nach der Katze und strampelte, aber Willi ließ nicht locker.
    »Herrje, können Sie denn Ihre Katze nicht rausschmeißen? Bitte! Das geht doch wirklich nicht!«
    Ann Kathrin packte Willi am Nackenfell und zog ihn von Scherer weg. »Das ist keine Katze«, sagte sie. »Das ist ein Kater.«
    Scherer sprach nicht mit Ann Kathrin, sondern wandte sich gleich an Ubbo Heide: »Herr Heide, haben Sie eine Erklärung dafür, was das alles mit Ihrer Kommissarin zu tun hat? Er legt
ihr eine Leiche vor die Tür, er schickt ihr Fotos. Und Sie wollen mir weismachen, dass sie keine Ahnung hat, wer er ist?«
    Ann Kathrin brachte Willi nach draußen, dann sah sie in den klaren Sternenhimmel hoch. Sie ging nicht direkt zurück nach oben, sondern nahm den Umweg über die Küche. Sie fischte die Doornkaatflasche aus dem Eisfach und ein von der Kälte beschlagenes Glas. Sie goss es randvoll und sagte gedanklich: Prost, Papa. Dann spürte sie endlich das entkrampfende Brennen in der Speiseröhre.
    Sie hielt es in ihrem eigenen Haus nicht mehr aus. Es war, als würde sie einfach nicht mehr da hingehören. Bevor sie die Treppe hochstieg, ging sie ins

Weitere Kostenlose Bücher