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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Möninghoff merkte nicht, dass ihr ein blauer Passat Kombi folgte.
    Sie warf kein Geld in die Parkuhr. Hier wurde eigentlich besonders streng kontrolliert, denn die Touristen stellten ihre Fahrzeuge einfach ab und machten dann Tagesfahrten mit der Frisia IV nach Norderney. Die meisten kamen mit der letzten Fähre zurück, aber längst nicht alle lösten für so lange den Parkschein.
    Um diese Zeit gab es jedoch garantiert noch keine Kontrollen. Es war 6 . 02 Uhr, als sie ihren Polo verriegelte. Der Wind riss die dunklen Wolken auseinander.
    Gab es etwas Schöneres, als noch vor Sonnenaufgang auf dem Deichkamm in Richtung Diekster Köken zu laufen, vorbei am Utkiek. Rechts flutete die Nordsee gegen die Deichbefestigung, und links lag verschlafen Norddeich.
    Noch hatten die Fischbuden nicht geöffnet, noch schliefen die meisten Touristen. Aber ganz alleine war sie trotzdem nicht. Da unten am Drachenstrand führte eine Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen ihre beiden Pudel aus. Sie traute sich mit ihnen nicht zum Hundestrand. Er war ganz nah, aber dort tobten sich ein Irish Setter und ein Schäferhund aus. Sie hatte Angst um ihre beiden kleinen Schoßhündchen.
    Ein Nordic-Walker kam Susanne Möninghoff entgegen. Er sah ein bisschen so aus, als würde er Ski laufen.
    Der Nebel auf dem Meer gefiel Susanne. Sie wusste, dass sie jetzt Energie sammelte für den ganzen Tag. Dies hier war für sie kein einfaches Kalorienverbrennen. Sie machte es nicht wirklich, um ihre Bein- und Pomuskulatur zu trainieren. Nein, hier passierte noch etwas anderes für sie. Sie fühlte sich frei und gut durchblutet und lebendig und eins mit sich. Hier sammelte sie gute Laune für den ganzen Tag. Diese Weite machte den Kopf frei.
    Auf der Deichwiese saßen dicke Möwen. Sie ließen sich durch Susanne Möninghoff nicht stören. Nur zwei kreisten über ihrem Kopf.
    Nicht weit von Susanne Möninghoff entfernt schrie eine Möwe jämmerlich wie ein Kind, das geprügelt wurde.
     
    Er konnte hier keinen Zugriff riskieren, aber er genoss es, ihr zuzusehen. Er folgte ihr mit knapp zwanzig Meter Abstand. Trotzdem fiel er ihr nicht auf, denn er lief nicht oben auf dem Deichkamm, sondern unten, und nicht auf der Meeresseite, sondern auf der dem Land zugewandten Seite. Er befand sich praktisch in ihrem toten Winkel. Trotzdem blieb er vorsichtshalber noch ein bisschen mehr zurück. Hier konnte er sie nicht verlieren. Ihr kreischend bunter Jogginganzug war unübersehbar. Außerdem würde sie garantiert wieder zu ihrem Polo zurücklaufen und er wettete alles, was er besaß, dass sie nicht irgendwo unten her
zurücklief, sondern gleich einfach umdrehen würde, um auf der Deichspitze zurückzulaufen. Sie war eine Genießerin. Sie wollte diesen Ausblick.
    Er kam schon aus der Puste. Sauer stellte er fest, dass er längst nicht mehr so durchtrainiert war, wie er hätte sein sollen.
    So ein Mist, dachte er, ich verweichliche.
    Er musste grinsen bei dem Gedanken daran, was Herr Jansen dazu sagen würde. Er hatte sie Runden laufen lassen, bis sie ihre Beine nicht mehr spürten. Einmal, bei einem der endlosen Dauerläufe, hatte Jansen von ihm verlangt, einem Kameraden von hinten Sand in die Hose zu streuen. Es sah aus wie ein harmloser Witz unter Jugendlichen, war aber in Wirklichkeit eine unglaubliche Gemeinheit. Der Kamerad lief sich wund, bis die Haut in Fetzen von Hintern und Oberschenkel hing.
    Wen Jansen auf dem Kieker hatte, den machte er fertig. Und er benutzte zu gerne andere Jungs dazu. Immer wieder ernannte er Hilfssheriffs. Die anderen nannten diese Hilfssheriffs Kapos. Er hatte nie verstanden, woher das Wort kam.
    Lange Zeit war er Jansens Lieblingshilfssheriff gewesen. Am Anfang hatte er es aus Angst getan. O ja. Doch später hatte er es genossen. Sie hatten alle Angst vor ihm und Respekt. Er ließ sie strammstehen, er überwachte den Morgenappell, er übernahm einzelne Bestrafungen selbst, und natürlich klagte er jede noch so kleine Ordnungswidrigkeit von ihnen an.
    Jansen schickte ihn zum Zimmerappell herum. Wenn die Betten nicht richtig gemacht worden waren, hatte er die Laken heruntergerissen. Wie oft hatte er einen Spind umgekippt und verlangt, dass die Ordnung sofort wiederhergestellt werden sollte. Einmal, als er aus Sympathie für einen anderen Jungen ein paar Nachlässigkeiten im Zimmer übersehen hatte, war Heinrich Jansen bei der Nachkontrolle völlig ausgeflippt.
    Die Hemden im Schrank mussten so gefaltet sein wie mit einem Lineal. Die Bettdecke

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