Ostfriesenblut
war nicht richtig eingeschlagen. Die
Schuhe standen an der falschen Seite vom Bett. Ein paar nasse Socken hingen zum Trocknen über der Heizung.
Am nächsten Morgen, noch vor Sonnenaufgang, stand Jansen plötzlich neben seinem Bett und riss ihm die Bettdecke weg.
»Dachte ich’s mir doch!«, hatte er gebrüllt und auf sein erigiertes Glied gezeigt. »Du wichst dir den Saft aus dem Leib! Hab ich euch denn gar nichts beigebracht? Kein Wunder, dass du nachlässig wirst!«
Beim Morgenappell degradierte er ihn vor allen Kameraden. Jetzt war er kein Hilfssheriff mehr, sondern einfach wieder einer von ihnen. Schütze Arsch in der letzten Reihe, wie Jansen es gerne witzig nannte.
Bis dahin war das Leben in diesem ostfriesischen Heim sicherlich kein Honigschlecken für ihn gewesen. Ab dann wurde es der blanke Horror.
Nein, es war nicht mehr Jansen persönlich, der ihn terrorisierte. Das hatte der gar nicht nötig. Er sah einfach nur zu. Viele Jungs hatten noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen, aus seiner Zeit, als er für Jansen den Hilfssheriff gespielt hatte. Da waren noch eine Menge Rechnungen offen, und jetzt wurden sie alle beglichen. Keiner wollte mehr etwas mit ihm zu tun haben.
Er hatte nicht mitgezählt, wie oft sie seinen Kopf in die Kloschüssel gesteckt hatten. Wie oft er Mannschaftskeile bekommen hatte oder sein Essen zufällig vom Tisch gefallen war. Sie zwangen ihn, Suppe zu essen, in die alle vorher gespuckt hatten. In der Küche beim Abwasch wurden die Reste zusammengerührt und er als menschlicher Müllschlucker missbraucht.
Er fragte sich, wie es Susanne Möninghoff gefallen würde, wenn er Sand in ihre schöne Jogginghose rieseln ließ. Jansen hatte ihm die Stellen gezeigt, an denen es besonders wehtat: »In die Arschritze muss das Zeug. In die schöne, schweißnasse Arschritze.«
Er ging zurück in Richtung Parkplatz Mole. Ein Radfahrer
kam ihm entgegengefahren. Er konnte den Blick nicht von Susanne Möninghoff wenden.
Der Radfahrer drehte sich auf seinem Rad noch einmal nach Susanne Möninghoff um. Sie gefiel ihm. Ein schöner Anblick.
Fast wäre der Radfahrer mit ihm zusammengestoßen, doch im letzten Moment riss der sein Lenkrad herum, und er sprang zur Seite.
»Pass doch auf, du Depp!«, fauchte er. Dann ärgerte er sich. Er durfte hier nicht auffallen.
Besser, ich krieg hier keinen Ärger, dachte er. Wenn ich dem jetzt eine reinhaue, wird er sich später an mich erinnern.
Beim Haus des Gastes blieb er stehen, setzte sich auf eine Bank und atmete die salzige Luft tief ein. Er befühlte das finnische Jagdmesser. Wenn sie schreit, dachte er, werde ich ihr wohl oder übel den Hals durchschneiden müssen. Er glaubte, dass es Ann Kathrin Klaasen völlig egal war, was er mit Susanne Möninghoff tat. Hauptsache, sie verschwand aus ihrem Leben.
Wenn sie sie morgen tot auffindet, wird sie als Kommissarin die Ermittlungen aufnehmen, aber als Frau wird sie sehr glücklich sein, grinste er.
Er selbst musste sich allerdings eingestehen, dass er es schade gefunden hätte, sie einfach zu töten. War es nicht besser, sie umzuerziehen?
Susanne Möninghoff hatte inzwischen die Hälfte ihres Laufs hinter sich. Er sah sie als bunten Punkt, langsam größer werdend, auf sich zulaufen.
Komm nur, dachte er. Komm.
Er ging zum Parkplatz zurück. Er wollte vor ihr dort sein.
Ubbo Heide atmete erleichtert auf. Na bitte. Die Meldebehörden in Ostfriesland funktionierten doch wirklich prächtig. Heinrich Jansen war ordentlich umgemeldet worden. Er fristete seinen Lebensabend in einem Seniorenheim bei Greetsiel.
»Wir müssen vorsichtig sein, Kollegen«, sagte Ubbo Heide und setzte zu einer kleinen Rede an. »Möglicherweise treffen wir dort auf einen alten Mann, der keine Ahnung hat, in welche Aufregung er uns versetzt hat. Es sollten zwei sensible Kollegen dahin fahren.«
Bei dem Wort
sensibel
meldete Rupert sich erst gar nicht. Das geht gegen mich, dachte er. Aber er hatte ohnehin keine Lust, sich um diesen Einsatz zu reißen.
Ann Kathrin stand auf und packte ihre Sachen zusammen. Sie sah Weller an und nickte ihm zu. Natürlich ging er mit.
»Unser Pärchen macht das schon«, grinste Rupert. »Sollen wir nicht lieber im Seniorenheim anrufen und einfach fragen?«, schlug ein Kollege aus Oldenburg vor.
Ubbo Heide schüttelte den Kopf. Er begründete es nicht weiter. Es war für ihn eine Selbstverständlichkeit. Die beiden mussten sich per Augenschein überzeugen. Außerdem war es sehr unwahrscheinlich,
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