Ostfriesenblut
verdammt, komm her!«
Charlie Thiekötter war schneller bei ihr als Weller. Dafür flog Weller einmal ganz in die Brühe, weil er aus Angst, Thomas Hagemann könne Ann Kathrin etwas antun, zu schnell lief und über ein herausgehauenes Fensterkreuz fiel, das ihm unter Wasser im Weg lag. Er spuckte und schlug um sich, als hätte er Angst, sich die Pest zu holen. Doch als er die Schrift an der Wand sah, war ihm erst richtig grauenhaft zumute.
»Er wusste, dass wir hierherkommen«, sagte Ann Kathrin. »Er hat es eingeplant.«
Weller spuckte immer wieder aus und wischte sich die Lippen ab. Er schüttelte sich engeekelt.
»Falsch«, sagte Charlie. »Er wusste, dass du hierhinkommst, Ann Kathrin. Die Nachricht ist nicht für uns. Sie ist für dich.«
Sachlich informierte Ann Kathrin die Spurensicherung. Dann rückten auch schon die von Ubbo Heide und Weller informierten Kollegen an. Es war nicht weit bis Aurich, doch Ann Kathrin wollte nur noch in ihre Badewanne und sich abschrubben, da war Weller sich mit ihr einig. Er hätte sich am liebsten die Haut mit Schmirgelpapier abgerieben.
»Ich würde jetzt gerne in Domestos baden«, fluchte er.
Sie fuhren über den Störtebekerweg zurück nach Norden und wollten beide nur noch eins: ein Bad. Weller stellte sich vor, mit Ann Kathrin gemeinsam in der Badewanne zu sitzen. Sie würden sich gegenseitig reinigen, den Kopf waschen und …
Dann sagte Weller: »Da werden wir ihm aber eine ganz schöne Show bieten heute Abend. Wir beide zusammen in der Badewanne und unter der Dusche. Er wird sofort wissen, woher wir kommen.«
»Du hast ja recht«, sagte sie. »Lass uns zu dir fahren.«
Verglichen mit Wellers Wohnung war Ann Kathrin Klaasens Haus im Distelkamp ein Palast. In den engen Räumen roch es nach abgestandenem Zigarettenqualm. Hier wurde ihr wieder wirklich bewusst, dass Weller ein Raucher war. An allen strategisch wichtigen Stellen standen Aschenbecher.
»Willkommen in meinem Loch«, sagte er.
Ann Kathrin bemühte sich, ihn nicht spüren zu lassen, was sie von der Wohnung hielt, doch ihr gutgemeintes Lob: »Ach, wie niedlich die Vorhänge sind. Hübsch, die Couch, wirklich. Ach, und hier frühstückst du immer?«, machte die Peinlichkeit für ihn nur noch größer.
»Ich weiß«, sagte er, »das hier ist eine Bruchbude. Aber mehr kann ich mir im Moment nicht leisten, und hier guckt uns wenigstens keiner beim Duschen zu. Ich habe übrigens keine Badewanne.«
Sie zwängten sich gemeinsam in die viel zu enge Duschkabine, schäumten sich gegenseitig den Rücken ein, bürsteten sich ab. Danach saßen sie eingewickelt in Badehandtücher im Wohnzimmer, und Ann Kathrin fand es gar nicht mehr so ungemütlich in der Wohnung.
Ängstlich sah Susanne Möninghoff Thomas Hagemann zu. Er tänzelte um Heinrich Jansen herum und stieß ihn immer wieder mit einer Reitgerte an. Wenn er ihn damit nicht anstupste oder ihm kleine Schläge versetzte, ließ er sie gegen seine eigenen Waden klatschen. Er schien das Geräusch zu mögen.
»Los, sag, wie soll ihre Erziehung fortgesetzt werden? Sag es,
alter Mann! Schlaf nicht ein! Ich könnte dich genauso gut in Fetzen schneiden und an die Schweine verfüttern. Dein Arsch gehört mir! Das ist gut, nicht, das ist gut! Weißt du, von wem ich den Satz habe? Nein? Du hast es vergessen? Von dir hab ich den, von dir! Ich hab das sogar lange geglaubt. Ganz am Anfang. Ich dachte, du darfst wirklich mit uns machen, was du willst. Und du hast es ja auch getan. Am Anfang, als ein paar Jungs verschwunden waren, hab ich geglaubt, du hättest sie in Fetzen geschnitten und an die Schweine verfüttert. Ich hab mich wochenlang nicht in den Schweinestall getraut. Später hab ich erfahren, dass sie nur abgehauen waren. Ja, die Polizei hat sie wieder eingefangen und zu dir zurückgebracht. Da wusste ich, dass du nur bluffst! Aber ich tu das nicht. Kinder müssen Konsequenz lernen!«
Hart schlug Thomas Hagemann mit der Reitgerte auf Heinrich Jansens Oberschenkel. »Man darf keine leeren Drohungen ausstoßen! Die Regeln müssen eingehalten werden. Die angedrohten Konsequenzen eintreffen. Das hast du selber gepredigt. Du selber! Und du hast dagegen verstoßen. Du hast keinen von uns in Fetzen geschnitten und den Schweinen zum Fressen gegeben. Das war ein Fehler von dir! Ein Fehler.«
Jetzt spielte Thomas Hagemann mit seinem finnischen Jagdmesser. »Wie soll ihre Erziehung weitergehen? Sag’s mir! Wie machen wir aus dem bösen Mädchen ein folgsames
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