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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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paar ostfriesische Milchkühe auf, die auf der Weide schliefen.
    Zum ehemaligen Erziehungsheim führte kein asphaltierter Weg. Es war mehr ein ausgefahrener Trampelpfad.
    Das Haus war eine zusammengefallene Ruine, verdeckt von einem kleinen Streifen Mischwald. Schwarz hoben sich die Überreste des alten Gemäuers gegen den nachtblauen Himmel ab. Geduckt lief Ann Kathrin im schützenden hohen Gras darauf zu, wie ein Fuchs, der sich dem Hühnerstall näherte. Ihr Herz raste. Sie spürte das Pochen sogar bis zum Hals.
    Sie war sich jetzt völlig sicher, dass sie ihn gleich treffen würde.
Hier war alles umgeben von einer tödlichen Energie. Das Ganze kam ihr vor wie Draculas Schloss.
    Im Südteil war sogar noch ein zweites Stockwerk vorhanden. Eine Steintreppe führte dort hoch. Das Geländer war abgerissen, die Mauern gab es nicht mehr.
    Weller telefonierte offenbar mit Ubbo Heide. Sie hatten sich gegen Ann Kathrins Willen geeinigt, auf die Kollegen von der Schutzpolizei zu warten. Aber Ann Kathrin rückte einfach vor, und so blieb Weller und Charlie Thiekötter auch nichts anderes übrig.
    Sie hörte Weller ins Mikro flüstern: »Es ist ein verschissenes Rattenloch. Ich wette, ich kann mich gleich für die schönen Filmaufnahmen bei ihm revanchieren. Ich kann riechen, dass er da ist.«
    Charlie Thiekötter verstand seinen gefühlsorientierten Kollegen nicht. Da war er anders. Er hielt sich an klare Zahlen und Fakten. Überprüfbare Indizien, verifizierbares Beweismaterial.
    Mit der Fußspitze stieß Ann Kathrin im Dunkeln gegen einen Ziegelstein. Bis hierhin waren die Steine der eingestürzten Gemäuer gefallen. Sie konnte Weller nur als Schattenumriss erkennen, aber seine Augen leuchteten in der Dunkelheit. Ihre Taschenlampen hielten sie bereit, aber noch machte niemand Licht. Sie verständigten sich per Handzeichen. Sie wollten von drei Seiten ins Gebäude. Ann Kathrin war sich sicher, dass er nicht oben, sondern unten war. In den Kellergewölben.
    Charlie übernahm den Eingang beim ehemaligen Speisesaal. Weller stieg durch ein Fenster im Erdgeschoss ein. Ann Kathrin bewegte sich vorsichtig, um keinen Lärm zu machen, durch eine eingestürzte Decke und über eine halbverfallene Treppe hinunter in den Keller.
    Es roch modrig, nach Verwesung und nach Tod. Hier kam das Mondlicht nicht mehr hin. Es war stockfinster.
    Ann Kathrin blieb auf den Treppenstufen stehen und lauschte
in die Dunkelheit. Dort unten war eine Bewegung, ganz klar. Und sie hörte Tropfen. Regelmäßige Wassertropfen, wie von einer defekten Leitung.
    In der Rechten hielt sie ihre Heckler & Koch P 2000 . In der Linken die Taschenlampe. Sie richtete den Strahl der Lampe parallel zum Lauf der Pistole aus und erleuchtete die Dunkelheit. Unten im Keller hatte sich Wasser gesammelt. Die Wände waren feucht. Das Ganze hier hatte sich im Laufe der Zeit zu einem Tümpel entwickelt.
    Sie musste an ihren Vater denken, der ihr lachend erzählt hatte: »Häuser in Ostfriesland baut man ohne Keller, meine Kleine. Die Ostfriesen haben genug Wasser in der Nordsee. Sie brauchen es nicht auch noch unten im Haus.«
    Sie tastete mit dem Lichtkegel die Wasserfläche ab und versuchte abzuschätzen, wie hoch das Wasser stand. Zwischen Holzstücken von zerschlagenen Möbeln schwamm eine tote Ratte.
    Ann Kathrin stieg tiefer. Dann watete sie durch kniehohes Schmutzwasser auf eine Stahltür zu. Vor der Tür hatte sich ein Ölfilm gesammelt. Die Tür war nicht verschlossen, sondern stand daumenbreit offen. Spinnweben hingen von der Decke.
    Ann Kathrin hörte Weller über sich. Er war viel zu laut, und sie erkannte seine Position schon an seinem Gang. Er sprang, wie er es gelernt hatte, in die Räume und richtete seine Waffe in jeden Winkel. Nun gut, das war vielleicht seine Art, sich anzupirschen.
    Um die Tür zu öffnen, musste Ann Kathrin beide Hände frei haben. Sie steckte die Dienstwaffe in ihren Gürtel, nahm die Taschenlampe in den Mund, griff mit beiden Händen die Tür und stemmte sich mit dem rechten Fuß gegen die Wand. So zog sie mit ihrem ganzen Körpergewicht die Tür Zentimeter für Zentimeter weiter auf. Etwas knirschte und gurgelte.
    Im zweiten Raum stank es noch bestialischer. Ann Kathrin
leuchtete die Wände ab und erschrak. Da stand eine Nachricht für sie, mit goldgelbem Lack quer über alle vier Wände gesprüht:
    Das war gut, Frau Kommissarin Klaasen!
Aber noch nicht gut genug.
Sie haben den Ort des Verbrechens gefunden.
    »Frank!«, schrie sie, »Frank,

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