OstfriesenKiller
Gefühl, die Sache hier ist noch nicht zu Ende, und unser Killer hat sich das nächste Opfer bereits ausgesucht.«
»Hast du Anhaltspunkte dafür?«
Ann Kathrin legte die linke Hand ein paar Zentimeter unter den Bauchnabel und drückte dagegen. »Ja. So ein Unwohlsein in der Magengegend.«
»Das schreib ich wohl besser nicht im Bericht.«
Sie hörte, dass Weller sich hinten im Laden verabschiedete. Sie schloss die Augen und fragte sich einen Moment, was Ulf Speicher wohl für ein Mensch gewesen sein mochte. War er das Schwein, das Georg Kohlhammer in ihm sah und so viele andere auch? Trat er konsequent für die Rechte von Behinderten ein oder nutzte er deren Situation, um sich zu bereichern und Einfluss auf ein paar gutgehende Familienbetriebe zu bekommen?
Sie ging zum Auto zurück. Wahrscheinlich, dachte sie, liegt die Antwort auf all meine Fragen in den Aktenordnern im Regenbogen-Verein.
Ann Kathrin wollte sich auf jeden Fall diese Sylvia Kleine ansehen. Weller steuerte den Wagen durch die Siedlung und sah mit neidischen Blicken die komfortablen Häuser an. Er fühlte sich auf unangenehme Art an seine beengte Wohnsituation erinnert.
Rupert meldete neue Ergebnisse. Ann Kathrin lächelte zufrieden, weil sie richtig gelegen hatte. Der letzte Anruf auf Kai Uphoffs Handy war um 22.49 Uhr von einem öffentlichen Münzfernsprecher gegenüber der Post gemacht worden.
Na bitte. Der Täter hatte ihn von dort aus zum Flugplatz gelockt, ihm dort aufgelauert und ihn erschlagen.
Das Handy war auch gefunden worden. Es hatte etwa zweihundert Meter von der Fundstelle des Toten entfernt neben dem Radweg Richtung Norden in der Wiese gelegen. Der Täter hatte es offensichtlich im hohen Bogen weggeworfen. Aber es funktionierte noch und sendete Signale aus.
Ann Kathrin dachte laut nach. »Das heißt, entweder ist der Täter mit dem Fahrrad abgehauen oder er will, dass wir genau das denken und deswegen hat er das Handy dort weggeworfen. Er könnte genauso gut mit einem Privatflugzeug, zum Beispiel von Juist aus, gelandet sein, die Morde begangen haben und danach wieder gestartet sein.«
»So ein Flug müsste registriert sein«, warf Weller ein.
»Müsste schon. Aber ein geübter Flieger kann dort nachts blind starten, wenn er die Strecke kennt. Da sind nur kleine Maschinen. Es gibt keine Kontrollen, keine Polizei. Nachts wird der Flugplatz nicht bewacht. Der Täter hätte auch bequem eine Waffe mit in den Flieger nehmen können.«
»Aber die Maschinen, die dort starten, haben doch bestimmt keinen großen Radius. Ich meine, wo soll der Täter sein? Auf Juist? Auf Norderney? Er muss sich einen kleinen, unbewachten Flugplatz ausgesucht haben.«
»Ja. Er könnte aber genauso gut nach Holland geflogen sein oder nach Belgien. Aber wir sollen denken, dass er mit dem Fahrrad unterwegs war.«
Ann Kathrin bedankte sich bei Rupert und klappte ihr Handy wieder zu.
Weller strich sich über den Bart. »Wenn das stimmt, was der Kohlhammer uns erzählt hat, dann ging es wirklich um viel Geld. Und ich kann mir vorstellen, wie nervig so etwas sein kann. Du hast einen Betrieb und bist doch nicht Herr der Sache. Du musst von allem, was du verdienst, die Hälfte abgeben, und dauernd redet dir einer rein. So fühlen sich manche Scheidungsopfer. Wer sagt uns eigentlich, dass wir es nicht mit einem Profi zu tun haben?«
»Du meinst, jemand hat einen Killer beauftragt, um Speicher zu töten? Gut, das könnte ich mir noch vorstellen«, sagte Ann Kathrin. »Aber Kai Uphoff?«
»Du hast selbst gesagt, es könnte sein, dass der Zivi getötet wurde, weil er den Mörder gesehen hat.«
Sie nickte. »Ja. Aber wieso die historische Waffe?«
»Wir haben es mit einem Trickser zu tun«, prophezeite Weller. »Das ist genauso wie mit dem Handy. Der will uns auf falsche Fährten locken. Ich sag dir – das ist irgendein Profi, aus Amsterdam oder Brüssel. Heutzutage kriegst du so einen für zehn-, zwanzigtausend. Der kommt, erledigt seinen Job und ist schon wieder weg. Ein historisches Gewehr, ein Schwert, alles nur, um uns zu beschäftigen. Der spielt mit uns. Der verarscht uns.«
Das Haus, in dem Sylvia Kleine wohnte, sah aus wie Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt. Der Garten wild zugewuchert. Auf der Terrasse saß ein Riesenteddy in einer Hollywoodschaukel. Auf dem Tisch vor ihm stand eine Schüssel mit Bonbons und Lutschern, die für einen Kindergeburtstag gereicht hätte.
Ein Pferd graste auf der Wiese.
Im Garten standen zahlreiche
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