OstfriesenKiller
auf die Unterlippe.
Herr Sendebach fühlte sich geehrt, dass die Kripo ihn in seinem Waffengeschäft aufsuchte. Rupert spürte genau, dass dieser Mann kein schlechtes Gewissen hatte. Er war ein wirklicher Fachmann. Krumme Geschäfte brauchte er nicht. Garantiert hatte er noch nie eine Pistole unterm Ladentisch verkauft. Das hatte er gar nicht nötig. Bewusst grenzte er sich von der kriminellen Szene ab.
»Mit dem Achtundachtziger«, sagte er, »gab es nur Probleme. Ursprünglich war das gar keine Mauserwaffe, aber wegen der vielen Unfälle wurde Paul Mauser damit beauftragt, die Waffe zu überarbeiten. Heraus kam das Gewehr 88/97. Wenn Sie so eines besitzen, haben Sie ein wirklich begehrtes Sammlerstück. Wollen Sie eines kaufen oder verkaufen?«
»Haben Sie schon einmal eine solche Waffe verkauft?«
»O ja. Vor einigen Jahren. Manchmal kommt man durch Haushaltsauflösungen daran.«
»Können Sie mir Namen und Adresse des Käufers nennen?«
»Gerne. Aber das muss ich in meinen Steuerunterlagen nachschauen. Hier geht nämlich alles ganz korrekt zu.«
Rupert nickte. »Selbstverständlich.«
»Ich höre mich auch gerne für Sie in Sammlerkreisen mal um«, bot Klaus Sendebach an.
»Danke. Das könnte für uns sehr hilfreich sein. Bitte rufen Sie mich an.« Rupert gab ihm seine Visitenkarte. Dann fragte er: »Können Sie sich vorstellen, warum jemand so eine Waffe benutzt, um einen Mord zu begehen? Die Gefahr danebenzuschießen ist doch sehr groß bei so einem alten Ding, oder nicht?«
Klaus Sendebach rückte seine Brille gerade und sah Rupert an. »Nun, ein Zielfernrohr lässt sich nachträglich auf jedes Gewehr schrauben. Aber wenn Sie mich fragen, ist doch wohl eher die Munition das Problem.«
»Kann Munition aus dem Ersten Weltkrieg noch funktionieren?«
Klaus Sendebach nickte. »Schon möglich. Wenn sie trocken gelagert wurde.«
»Gibt es solche Munition heute noch zu kaufen?«
»Bei Sammlern – warum nicht?«
»Könnten Sie sich für mich umhören, ob es jemanden gibt, der diese Munition noch herstellt? Vielleicht sogar solche Gewehre nachbaut? Auch wenn es nicht ganz legal ist …«
Mit diesen Sätzen wollte Rupert den Laden verlassen. »So mok wie dat«, versicherte Klaus Sendebach in breitem Ostfriesisch.
Rupert drehte sich zu ihm um. Als müsse er die Worte übersetzen, sagte Sendebach: »Sie können sich auf mich verlassen. Ich unterstütze die Kriminalpolizei gerne.«
Ruperts und Wellers Erkenntnisse reichten aus für eine Fahndung nach Georg Kohlhammer. Staatsanwalt Scherer war inzwischen bereit, alles zu unterschreiben, was die Kollegen vom Fachkommissariat Eins ihm vorlegten.
Angeblich war Kohlhammer mit seinem Wohnwagen und seiner Angestellten schon über die holländische Grenze. Zumindest behauptete einer seiner Würstchenverkäufer, er hätte bei ihm haltgemacht, gemeinsam mit Nicole noch eine Bratwurst verspeist und Pommes mit Senf, seine Spezialität, und sei dann in Richtung Holland weitergefahren. Von dort wollte er über Belgien in die Bretagne.
Die Eltern von Nicole Bassermann bestätigten das, nicht ohne Empörung. Ihre Tochter habe nur schnell ein paar Sachen zusammengepackt und gesagt, den Rest kaufe ihr Kohlhammer, wenn sie in Frankreich seien. Den Eltern gefiel die Liaison überhaupt nicht. Das hatte aber wohl eher religiöse Gründe. Sie hätten ihre Tochter gerne vorher mit Kohlhammer verheiratet.
Rupert überlegte. Das Ganze konnte auch eine Finte sein. Wenn Kohlhammer der Mörder war, hatte er vielleicht seine Urlaubsfahrt Hals über Kopf organisiert, so dass es jeder mitbekam, und jetzt gondelte Nicole Bassermann alleine mit dem Wohnwagen in die Bretagne, während er hier seinen nächsten Mord vorbereitete.
Rupert wusste nicht, wer als Nächster dran war. Aber er war sich völlig sicher, dass es weitergehen würde. Das hier war ein Rachefeldzug. Und es gab keinen Anhaltspunkt dafür, dass der zu Ende war.
Bis jetzt hatte der Mörder nur Männer umgebracht. Rupert hatte eine Liste aller ehrenamtlichen Mitarbeiter vom Regenbogen-Verein vor sich liegen. Zusammen mit den ehemaligen Zivildienstleistenden und Hauptamtlichen und Aushilfskräften ergab das eine Liste von 54 Personen. 31 von ihnen waren Männer. Hatte der Mörder oben an der Spitze angefangen und arbeitete sich jetzt langsam runter? Den Chef, einen Zivi, einen ehrenamtlichen Mitarbeiter?
Rupert versuchte, das Prinzip hinter den Taten zu entdecken. Es gab immer ein Muster. Man musste es nur
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