Ostseefluch
Andersen , der war wegen der Wespen schon mal bei ihnen gewesen. Ein recht junger Mann, hatte Arne gesagt ...
Irma wählte seine Nummer und war fast enttäuscht, als sich eine brüske Frauenstimme am anderen Ende der Leitung meldete. »Seibel hier. Ich muss dringend mit Herrn Andersen sprechen. Er war schon einmal bei uns«, erklärte sie.
»Herr Andersen ist bei einem Kunden. Wie war Ihr Name noch mal?«
»Immer noch Seibel«, sagte Irma. Ein Schatten bewegte sich vor dem mit Kleidung zugehängten Schaufenster.
»Ihre Adresse?«
Eine Kundin betrat den Laden. Irma kannte sie. Es war eine der Elternvertreterinnen aus Zoes Kita-Gruppe. Eine Klatschtante ersten Ranges. Irma winkte ihr freundlich zu. Die Kundin ging zu dem Regal mit den Sommerkleidchen und stöberte. Irma nannte der Frau am Telefon ihre Adresse.
»Und worum geht es?«, klang es forsch aus dem Hörer.
»Um was Ähnliches wie beim letzten Mal«, sagte Irma vorsichtig. »Ich brauche schnellstmöglich einen Termin.«
»Ich komme gerade nicht ins Computerprogramm rein. Mit welcher Art von Schädlingen haben Sie ein Problem? Mit Ameisen?«
»Nein, größer«, sagte Irma und sah auf die Kundin, die sich nun langsam am T-Shirt-Regal entlangtastete und dabei näher und näher kam.
»Wespen?«
»Nein, äh, noch größer.«
»Meinen Sie Hornissen?«
Verdammt. »Nein, viel größer. Kann ich Sie später noch mal anrufen?«
»Da bin ich nicht mehr hier. Wenn Sie nicht mit mir reden wollen, versuchen Sie es mobil bei Herrn Andersen ...« Sie leierte eine Handynummer herunter.
Was dachte sich die Frau eigentlich? Dass sie Geld kacken konnte? »Können wir nicht einfach einen Termin vereinbaren?«
»Herr Andersen muss sich darauf vorbereiten. Haben Sie Mäuse? Oder Wühlmäuse? Die können sehr lästig sein.«
»Nein, nein. Aber so ähnlich!« Irma spürte, wie sie unter den Achseln zu schwitzen begann. Die Kundin schwenkte ein rot kariertes Sommerkleid vor ihrer Nase herum. Wollte bedient werden.
»Ich glaube, Sie nehmen mich auf den Arm«, sagte die Frau am anderen Ende ungehalten.
»Warten Sie!« Sie gab der Kundin ein Zeichen, dass sie gleich fertig sein würde.
»Welche Art Schädling?«, fragte die Frau am Telefon genervt.
»Ratten«, flüsterte Irma in den Hörer.
Die Kundin riss erstaunt die Augen auf. »Oh, oh. Es gibt wohl Probleme.« Damit warf sie das Kleid auf die Theke und stürmte aus dem Geschäft.
Nach der Einsatzbesprechung im Kommissariat machten sich Pia und Broders auf den Weg nach Fehmarn. Sie wollten Maren Rosinski, die aus dem Krankenhaus entlassen war, zu dem Überfall befragen.
Ihre Aussage brachte sie allerdings nicht weiter. Maren Rosinski behauptete, keine Ahnung zu haben, wer sie niedergeschlagen hatte. Auch konnte sie sich angeblich keinen Grund dafür vorstellen.
Während sie mit Broders und Pia sprach, wirkte sie mitgenommen und verstört, wollte sich das aber offensichtlich nicht anmerken lassen.
Ihr Gesundheitszustand ließ eine umfangreichere Befragung augenscheinlich noch gar nicht zu. Sie gab sogar zu, dass sie nur auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin und auf eigene Gefahr schon aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Pia hegte die nicht sehr freundliche Hoffnung, dass Maren Rosinski bald freiwillig mit ihnen reden würde, falls der Stress, unter dem sie offensichtlich stand, weiter zunahm.
Nach dem Gespräch mit Maren Rosinski versuchten Broders und Pia ihr Glück noch mal bei einer weiteren Freundin von Milena, die sie zuvor nicht angetroffen hatten. Dieses Mal öffnete sie ihnen die Tür. Die junge Frau bestätigte Bianca Bockelmanns Geschichte. Auch und besonders, was Milenas Aktivitäten an der Bushaltestelle betraf. Zu den Männern, mit denen Milena Kontakt gehabt hatte, wollte oder konnte sie sich jedoch nicht äußern.
»Wir sollten diese Bushaltestelle mit einer Kamera überwachen. Dann wissen wir zumindest, wer da regelmäßig langfährt«, schlug Pia vor, als sie wieder im Wagen saßen.
»Glaubst du, jemand mit einem verdammt schlechten Gewissen würde, nachdem er den Mord an Milena begangen hat, immer noch dort entlangfahren?«
Pia zuckte die Schultern. »Hast du eine bessere Idee?«
Broders schnaufte, als er den Motor anließ. »Nee, hab ich nicht. Traurig, aber wahr. Warum reden die Leute nicht mit uns? Manchmal wünsche ich mir so hübsche, handliche Daumenschrauben.«
»Glaubst du, damit könntest du jemanden beeindrucken, der sich selbst die Unterarme verstümmelt?« Pia ließ das
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