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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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Wasseroberfläche erreichte, und schon begann wieder das stete Fallen und Steigen. Allmählich kam der transparente Leib näher, und Julia erkannte etwas Rötliches darin: Richtig, das mußten die Geschlechtsdrüsen sein. Die Medusen verbargen nichts.

    Auf einmal kam sie sich fast indiskret vor und konnte doch den Blick nicht abwenden. Wie oft hatte sie Bekanntschaft mit Quallen gemacht, und immer hatte sie sie nur gehaßt, das unangenehme Brennen, das sie auf Armen und Beinen hinterließen, die unwürdigen Fluchten, zu denen sie selbst die besten Schwimmer zwangen, für Julia waren sie Unrat im Meer gewesen, schleimige, ein wenig widerliche, auf jeden Fall primitive Substanzen, lästig wie Teerflecken am Strand oder Taubenkot auf dem parkenden Auto in der Stadt. Und nun? Nun erkannte sie die Schönheit dieses Wesens. Die gefürchteten Fangarme breiteten sich zu den Seiten aus, nesselten warnend durch das Wasser. Die Sonne schien auf Julias Gesicht und aufs Wasser, und plötzlich leuchtete die Qualle erneut auf, verschwenderisch nun, wie ein Rauschtraum im Meer... Unwillkürlich streckte Julia beide Arme aus.
    »Hallo!«

    Mehr sagte er nicht. Er stand direkt hinter ihr. Wie lange schon? Julia fuhr zusammen, wollte aufspringen, aber da kniete er bereits neben ihr. »Beobachtest du die Qualle?«
    Ja, sie beobachtete die Qualle. Und sie sah sein gutes Gesicht unmittelbar neben sich. Noch nie war sie ihm so nah gewesen, und doch beunruhigte es sie nicht im geringsten. Die Qualle war schön, und sie war nicht gefährlich, weil sie genau da war, wo sie hingehörte. Wie sie, Julia. Wie er, Hanno. Sie begann, von der Qualle zu erzählen, ein bißchen atemlos, ein bißchen unsicher, aber seine Augen, die von ebenso großer Ruhe schienen wie der Strand, ermunterten sie. Noch nie hatte sie ernsthaft von einer Qualle erzählt. Sie sagte, sie habe nie zuvor bemerkt, daß Quallen einen Leib besitzen. Oder sie habe sich nie Gedanken darüber gemacht. Sie wies ihn auf die leuchtend rötlichen Fäden hin, die verführerische Durchsichtigkeit, den Schleiertanz, den
das seltsame Tier veranstaltete - vielleicht für einen Partner oder um einen tumben Fisch zu hypnotisieren?! Plötzlich bemerkte sie ein leises Funkeln in seinen Augen.
    »Ist dir eigentlich klar, worüber du sprichst?«
    Erst verschlug es ihr die Sprache. Dann mußte sie lachen.
    »Ich?«
    Und dann standen sie auf, klopften sich beiläufig den Sand aus den Kleidern, wie Leute, die etwas vorhaben. Julia schob ihren Rock zurecht, Hanno fuhr sich mit der Linken durch die Haare. Und dann wurden sie still. Schauten sich an. Mußten sich plötzlich festhalten mit Blicken und Lippen. Seine Lippen auf ihren. Üppige Lippen, geschwungen, trocken und sanft und fest. Und Hände, unendlich sanft, landeten wie zwei Vögel auf ihren Schultern. Die Hände stellten eine Frage, lösten sich wieder. Eine rechte Hand griff nach ihrer linken Hand, zog sie mit sich, und so gingen sie zusammen, ganz langsam plötzlich, mit Bedacht, mit sicheren Tritten jedoch. Sie stapften den Strand hinauf, in die Dünen, ohne sich umzusehen und ohne zu reden. Die Dünen lagen wartend da, mit ausgebreiteten Sandkissen. Hanno schaute sie an, lange. Er zog seinen Mantel aus, breitete ihn auf dem Sand aus. Julia wollte sich setzen. Er hinderte sie daran.
    »Warte.«
    Ein Pullover. Er landete auf dem Mantel. Hemd. T-Shirt. Schuhe, Socken, Hosen. Hanno, ganz nackt. Er blieb einfach so vor ihr stehen, ganz ruhig. Er gab ihren Augen Zeit. Hielt ihrem Blick stand. Und Julia wagte es, ihn anzuschauen, sie ließ ihren Blick an ihm herabgleiten, ganz sacht, ganz vorsichtig. Er wartete. Dann nahm er ihre Hand und zog Julia zu sich heran, sachte, nun doch fragend. Sie umarmte ihn, er hielt ganz still. Sie küßte ihn, noch einmal, entschlossener. Ihr Herz begann, allen möglichen Unsinn zu treiben, ihr Bauch fühlte sich heiß und schwer an, in den
Ohren brauste es. Sie fuhr mit der Zunge seinen Hals entlang, und was sie da schmeckte, behagte ihr, machte sie aber auch unruhig, diese kräftige, etwas ledrige, bräunliche Haut, die nach Salz schmeckte und nach etwas anderem, Kräftigem, und dabei seltsam vertraut. Sie versuchte es mit den Zähnen, vorsichtig. Als er leise stöhnte, freute sie das wie ein Geschenk. Sie lächelte ihn an unter ihren eigenen Küssen, ihre Hände tasteten seinen Rücken hinab, folgten der Linie der Wirbelsäule, die ihr sehr lang erschien. Ihre Hände ruhten auf seinen Hüften. Er hielt immer

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