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Ostwind (German Edition)

Ostwind (German Edition)

Titel: Ostwind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Wimmer
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Ostwind bereit für das Training. Nachdem sie ihm die Satteldecke über den Rücken gelegt hatte, schaute sie sich suchend um. Aber weit und breit war kein Herr Kaan zu sehen. Also schwang sie sich auf das Pferd und ritt uber die Koppel. Da entdeckte sie ihn. Er saß auf dem Gatter und schnitzte. Mika kam vor ihm zum Stehen und verbeugte sich mit gefalteten Handen wie ein Yogi.
    »Guten Morgen, Meister. Was haben Sie heute fur uns?«, fragte sie scherzend.
    Herr Kaan blickte auf und schaute Mika mit mildem Lächeln an. »Nichts. Heute habe ich Ruhetag«, sagte er.
    Mika war enttäuscht. »Und was machen wir dann?«, wollte sie wissen.
    Herr Kaan grinste. »Was ihr am besten konnt«, sagte er.
    Mika wusste nicht, was Herr Kaan meinte. »Und was …?«
    Herr Kaan gab Ostwind einen Klaps auf die Hinterbacke. »Fliegen!«, rief er.
    Ostwind riss wiehernd den Kopf nach oben. Mika war zwar uberrascht, doch sie blieb sicher im Sattel. Und sie begriff: Herr Kaan konnte ihr nichts mehr beibringen.
    Mika überkam für einen kurzen Moment Wehmut. Doch dann galoppierten sie auch schon los. Fort von der gewohnten Koppel ging es querfeldein uber grune Wiesen, vorbei an leuchtend gelben Rapsfeldern und dem tiefgrunen Waldrand. Das Ende der Wiese kam in Sicht, ein Zaun – doch das konnte die beiden nicht stoppen. Mika duckte sich tief uber den Pferderucken und Ostwind hob ab. Es rauschte in ihren Ohren, der weite Himmel fullte ihr Gesichtsfeld. Sie hatte für einen Moment nur noch ein grenzenloses Blau vor Augen.
    Mika konnte nicht anders. Sie schrie: »Yeeeeaaaahhhh!«
    In diesem Moment ratterte Sam gedankenverloren auf seinem Traktor die Schotterstraße entlang. Er sah gerade noch, wie Mika auf Ostwind muhelos uber den meterhohen Zaun hinwegsetzte und uber ein Stoppelfeld davongaloppierte. Sams Mund klappte auf. Perplex schaute er den beiden nach.
    Im vollen Galopp drehte Mika sich um und schaute zuruck zu dem ubersprungenen Gatterzaun. Sie riss einen Arm in die Luft, die Hand zur Siegesfaust geballt. Ostwind wieherte und stieg auf die Hinterbeine. Sie fuhlten dasselbe.

12. Kapitel
    Sam konnte kaum glauben, was er gesehen hatte. Sofort lief er zu seinem Großvater, der ruhig auf seiner Bank saß.
    »Das war Wahnsinn, unglaublich! Der Zaun ist doch mindestens eins sechzig hoch. Das war Weltklasse! Das war … und nicht mal Paul Schockemohle hätte das hinbekommen!!«, rief er stürmisch.
    Mika kam auf Ostwind unbemerkt hinzu. »Wer ist denn Paul Schockemohle?«, fragte sie.
    Sam fuhr herum. Aber hinter ihm stand nicht nur Mika, sondern auch Ostwind. Sam machte einen erschrockenen Schritt ruckwarts.
    »Ist gut«, sagte Herr Kaan ruhig.
    Vorsichtig streckte Sam eine Hand aus. Und auch Ostwind streckte ihm den Kopf entgegen und schnupperte an seiner Hand.
    »Wahnsinn«, murmelte Sam. »Hallo, Ostwind.«
    »Sprechen hat er noch nicht gelernt«, lachte Mika.
    Auch Sam musste grinsen. Er sah seinen Großvater voller Bewunderung an. »Das hatte ich niemals geglaubt«, gestand er. Dann wandte er sich euphorisch an Mika: »Und wenn Frau Kaltenbach das sieht, dann frisst sie eine Mistgabel, das schwore ich dir! Ihr werdet es allen zeigen! Das wird der Auftritt des Tages!«
    Aber Sams Euphorie machte Mika plötzlich Angst. Eine tiefe Verunsicherung meldete sich in ihrem Innersten mit schrillen Alarmsirenen.
    Sie, Mika, die Komplettversagerin mit ihrem katastrophal schlechten Zeugnis, das von ihrer Familie belächelte Mathematikdoofi, wollte also an einem Turnier teilnehmen und es allen zeigen? Jetzt, wo es wirklich auf sie ankam, spürte Mika, wie ihr Selbstbewusstsein bröckelte. Zu oft hatte man ihr das Gefühl gegeben, eine Versagerin zu sein.
    »Ich weiß nicht … vielleicht ist das mit dem Turnier doch noch eine Nummer zu groß. Die ganzen Leute … was wenn wir …«, stammelte sie. Abwesend streichelte sie Ostwinds Stirn.
    Sam sah Mika überrascht an. »Aber dafur habt ihr das doch gemacht! Und dafur habe ich Frau Kaltenbach die ganze Zeit ins Gesicht gelogen«, sagte er verständnislos und zeigte auf Ostwind: »Um ihn zu retten. Oder nicht?«
    Mika blickte zu Herrn Kaan. Sie suchte nach Bestatigung für ihre Zweifel. Aber Herrn Kaans Gesicht blieb gleichmütig. Es verriet nicht, was er dachte.
    »Wir sind noch nicht soweit. Wir brauchen noch mehr Zeit …«, sagte Mika ausweichend.
    Auch Sam sah nun zu Herrn Kaan. Doch der schwieg noch immer. Sam gab auf. »Du brauchst vielleicht noch mehr Zeit«, rief Sam wütend und zeigte auf

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