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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Buschmanns konnte sie nicht ignorieren.
    »Ich verstehe nicht genau, was du meinst, aber ich versuch’s.« Sie faßte seine widerstandslose Hand, drückte seine trockenen Finger. »Wie du mir bei meinem Versuch geholfen hast, Stephen zu helfen, so werde ich mein Bestes tun, dir zu helfen – du mußt mir nur sagen, was ich tun kann. Du bist mein Freund, !Xabbu .«
    Zum erstenmal, seit er gekommen war, lächelte er richtig. »Und du bist meine gute Freundin, Renie. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich denke und denke immerzu.« Er entzog ihr sanft seine Hand und rieb sich die Augen vor offensichtlicher Müdigkeit. »Aber wir müssen auch deine Fragen beantworten – so viele Fragen, vor denen wir beide stehen! Was sollen wir wegen dem gelben Diamanten unternehmen, diesem gefährlichen Ding?«
    Zu ihrer Verlegenheit mußte Renie ausgiebig gähnen. »Ich glaube, ich kenne eine, die uns helfen könnte, aber ich bin zu müde, um das jetzt in Angriff zu nehmen. Erst muß ich ein bißchen schlafen, dann rufe ich sie an.«
    »Dann schlafe doch einfach. Ich werde bleiben, bis dein Vater zurückkommt.«
    Sie sagte ihm, das sei nicht nötig, aber genauso gut hätte sie versuchen können, eine Katze umzustimmen.
    »Ich werde deine Ruhe nicht stören.« !Xabbu erhob sich flink und geschmeidig. »Ich werde mich nach nebenan setzen und nachdenken.« Abermals lächelnd schlüpfte er zur Tür hinaus und zog diese hinter sich zu.
    Renie lag noch lange wach und dachte an die seltsamen Orte, an denen sie zusammen gewesen waren, Orte, deren einzige Verbindung darin bestand, daß sie Produkte des menschlichen Verstandes waren. Oder jedenfalls glaubte sie das. Aber es fiel ihr schwer, an diesem Glauben festzuhalten, wenn sie die tiefe Sehnsucht und den Ausdruck von Verlust auf !Xabbus ernstem, intelligentem Gesicht sah.
     
    Sie wachte mit einem Ruck auf, weil eine große, dunkle Gestalt sich über sie beugte. Ihr Vater trat hastig einen Schritt zurück, als ob er bei etwas Verbotenem ertappt worden wäre.
    »Bloß ich, Mädel. Wollt bloß nach dir gucken.«
    »Mir geht’s ganz gut. Ich hab meine Medizin genommen. Ist !Xabbu noch da?«
    Er schüttelte den Kopf. Sie roch das Bier in seinem Atem, aber er schien einigermaßen sicher auf den Füßen zu stehen. »Heimgegangen. Wie isses, stehn sie jetzt Schlange bei dir?«
    Sie blickte ihn entgeistert an.
    »Vor der Tür saß noch’n andrer Mann im Auto, als ich gekommen bin. Groß, mit Bart. Is weggefahren, als ich drauf zu bin.«
    Angst durchschoß Renie wie ein Stromstoß. »Ein weißer Mann?«
    Ihr Vater lachte. »Hier in der Gegend? Nee, schwarz wie ich war er. War wahrscheinlich wegen jemand anders da. Oder ein Dieb. Leg bloß die Kette vor, wenn ich nich da bin.«
    Sie lächelte. »Ja, Papa.« Es war selten, daß er sich so um sie sorgte.
    »Ich schau mal, ob was zu essen da is.« Er zögerte in der Tür, dann drehte er sich um. »Dein Freund da, er is einer vom kleinen Volk.«
    »Ja, ein Buschmann. Aus dem Okawangodelta.«
    Ein eigenartiges Leuchten glomm im Auge ihres Vaters, ein kleines Feuer der Erinnerung. »Die sind die Ältesten hier. Warn schon vor den Schwarzen da – vor den Xhosa, den Zulu, allen.«
    Sie nickte, fasziniert von dem versonnenen Ton seiner Stimme.
    »Hätt ich nich gedacht, daß ich noch mal einen von seiner Sorte zu Gesicht bekomme. Vom kleinen Volk. Hätt ich echt nich gedacht.«
    Mit einem geistesabwesenden Ausdruck im Gesicht ging er hinaus. Er machte leise die Tür zu.

Kapitel
Die Stimme seines Herrn
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Kriegsverbrecherprozeß gegen Merowe
    (Bild: Merowe bei der Kapitulation vor UN-General Ram Schagra)
    Off-Stimme: Hassan Merowe, der abgesetzte Präsident der Republik Nubien, soll wegen Kriegsverbrechen vor ein UN-Tribunal gestellt werden.
    (Bild: UN-Soldaten beim Ausheben von Massengräbern vor Khartum)
    Bis zu eine Million Menschen sollen nach gegenwärtigen Schätzungen während der zehnjährigen Herrschaft Merowes umgekommen sein, die damit eine der blutigsten Episoden in der Geschichte Nordostafrikas war.
    (Bild: Merowes Anwalt Mohammed al-Raschad)
    Raschad: »Präsident Merowe hat keine Angst davor, sich vor anderen Staatsoberhäuptern zu verantworten. Mein Klient hat unseren Staat ganz auf sich allein gestellt aus den rauchenden Trümmern des Sudan aufgebaut. Diese Leute wissen alle, daß ein Staatsoberhaupt in Zeiten des Chaos manchmal hart durchgreifen muß, und wenn sie behaupten, sie hätten anders gehandelt, dann sind

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