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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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uns auch ein Environment schaffen, in dem sich bequemer arbeiten läßt. Genau wie dieses Programm eine Geste nimmt«, sie schwenkte einen Arm, und ein weißes Wölkchen erschien über ihnen am Himmel, »und eine Wolke macht, kann es die gleiche Geste nehmen und eine große Datenmenge von einem Ort an einen andern transportieren oder andere Daten ausfindig machen. Statt krumm und bucklig vor einem Keyboard oder einem Touchscreen zu hängen wie früher, können wir sitzen oder stehen oder liegen, deuten oder winken oder sprechen. Die Geräte zu benutzen, auf die wir im Leben angewiesen sind, kann so leicht sein wie …« Sie suchte nach einem passenden Vergleich.
    »Wie einen Fischspeer zu machen.« Seine Stimme hatte einen seltsamen Unterton. »Damit wären wir, scheint es, wieder am Ausgangspunkt angelangt. Erst komplizieren wir unser Leben mit Maschinen, und dann setzen wir alles daran, es so einfach zu machen wie vorher, als wir noch keine hatten. Haben wir damit irgend etwas gewonnen, Frau Sulaweyo?«
    Renie fühlte sich irgendwie angegriffen. »Unsere Fähigkeiten sind größer – wir verfügen über mehr Möglichkeiten …«
    »Können wir mit den Göttern reden und ihre Stimmen deutlicher hören? Oder sind wir jetzt, mit all diesen Fähigkeiten, selber Götter geworden?«
    !Xabbus veränderter Ton hatte sie überrumpelt. Während sie noch krampfhaft nach einer einleuchtenden Antwort suchte, sprach er abermals.
    »Schau mal, Frau Sulaweyo. Was hältst du davon?«
    Ein kleines und etwas scharfkantiges Blümchen war aus dem simulierten Waldboden gesprossen. Es glich keiner Blume, die Renie kannte, aber es hatte eine Intensität, die sie bestechend fand; es glich fast mehr einem Kunstwerk als einem Versuch, eine echte Pflanze zu imitieren. Seine samtigen Blütenblätter waren blutrot.
    »Das … das ist fürs erste Mal sehr gut, !Xabbu .«
    »Du bist eine sehr gute Lehrerin.«
    Er schnippte mit seinen plumpen grauen Fingern, und die Blume verschwand.
     
     
    > Sie drehte sich um und streckte die Hand aus. Ein Regal voller Bücher sprang vor, damit sie die Titel lesen konnte.
    »Mist«, flüsterte sie. »Wieder nichts. Ich komme einfach nicht auf den Namen. Suche alles mit ›räumliche Gestaltung‹ oder ›räumliche Darstellung‹ und ›Kind‹ oder ›Jugend‹ im Titel.«
    Drei Bände erschienen und blieben vor den Mediatheksregalen im Raum stehen.
    »Analyse der räumlichen Darstellungsfähigkeit im Jugendalter«, las sie. »Sehr schön. Liste mir nach Häufigkeit geordnet die Fälle von …«
    »Renie!«
    Auf den Ruf der körperlosen Stimme ihres Bruders hin wirbelte sie herum, genau wie sie es in der wirklichen Welt getan hätte. »Stephen? Wo bist du?«
    »Bei Eddie. Aber wir… haben ein Problem.« Er hörte sich ängstlich an.
    Renie fühlte, wie ihr Puls schneller schlug. »Was für ein Problem? Irgendwas dort im Haus? Hast du Ärger mit jemand?«
    »Nein. Nicht hier im Haus.« Er klang so elend, als ob ihn ältere Jungs auf dem Heimweg von der Schule in den Kanal geworfen hätten. »Wir sind im Netz. Kannst du kommen und uns helfen?«
    »Stephen, was ist los? Sag schon!«
    »Wir sind im Inneren Distrikt. Komm schnell!« Der Kontakt war weg.
    Renie preßte zweimal ihre Fingerspitzen zusammen, und ihre Mediathek verschwand. Während ihre Anlage keine Daten zu kauen hatte, hing sie einen Moment lang im blanken grauen Netspace. Mit einer raschen Handbewegung holte sie sich ihr Hauptmenü herbei und versuchte, direkt zum augenblicklichen Aufenthalt ihres Bruders zu springen, aber eine Anzeige »Kein Zugang« hinderte sie daran. Er war also wirklich im Inneren Distrikt, und dazu in einer Zone nur für zahlende Kunden. Kein Wunder, daß er den Kontakt nicht lange gehalten hatte. Er belastete das Konto von jemand anders – wahrscheinlich von seiner Schule – mit Anschlußgebühren, und jede große Benutzergruppe hielt genau nach solchen Verlusten die Augen offen.
    »Zum Teufel mit dem Bengel!« Erwartete er vielleicht, daß sie sich in ein großes kommerzielles System hineinhäckte? Darauf standen Strafen, in manchen Fällen sogar Haftstrafen wegen unbefugten Eindringens. Ganz zu schweigen davon, wie die Technische Hochschule reagieren würde, wenn eine ihrer Dozentinnen bei einem derartigen Dummemädchenstreich erwischt wurde. Aber er hatte sich so verängstigt angehört…
    »Zum Teufel!« sagte sie noch einmal, seufzte und machte sich daran, sich eine Tarnidentität zu basteln.
     
    Jeder, der den

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