Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten
Personen in einem Haus leben, das eigentlich leerstehen sollte, und wir werden wegen Hausbesetzung oder sonstwas festgenommen. Aber es wird nichts sein, wogegen wir uns wehren können. Wir werden einfach irgendwo im Apparat verschwinden.«
»Oder es könnte direkter gehen, ohne daß die Polizei überhaupt hineingezogen wird«, fügte !Xabbu trocken hinzu. »Vergiß nicht, was mit deinem Wohnblock passiert ist.«
Ich frage mich, oh Atasco und diese Gralsleute bei meiner Suspendierung die Finger mit im Spiel haben. Nur wegen des Durcheinanders bei der Flucht aus Susans Haus war sie nicht schon früher auf den Gedanken gekommen. Die Welt außerhalb des Autos schien voll schrecklicher, aber unvorhersehbarer Gefahren zu sein, als ob irgendein Giftgas die Atmosphäre verdrängen würde. Oder werde ich jetzt komplett paranoid? Warum sollte jemand mit Leuten wie uns so viel Aufhebens machen?
»Ein einziger Schwachsinn is das, find ich«, sagte ihr Vater. »Kaum sind wir eingezogen, rennen wir schon wieder weg.«
»Mit Verlaub, Herr Sulaweyo, ich glaube, ich muß Renie zustimmen«, sagte Martine. »Ihr seid alle in Gefahr und solltet nicht wieder in Susans Haus oder irgendwo sonst hingehen, wo man euch kennt. Pour moi, werde ich weiter versuchen, eine Lösung für diese Probleme zu finden. Es gibt eventuell eine Möglichkeit, beide Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, aber ich verfolge eine sehr schwache Spur, die zwanzig Jahre alt ist, und ich gebe mir außerdem Mühe, nicht zu viel Aufsehen zu erregen, verständlicherweise. Ich halte eine Leitung für euch offen. Ruft mich an, wenn sich sonst noch etwas ergibt.« Die Leitung klickte, und sie war weg.
In angespanntem Schweigen fuhren sie einige Minuten die Autobahn entlang. Der erste, der etwas sagte, war Jeremiah. »Das Polizeiauto da. Ich glaube, es folgt uns.«
Renie verdrehte den Hals. Mit seiner Blinkleiste auf dem Dach sowie der dicken Panzerung und den wuchtigen Stoßstangen sah der Streifenwagen aus wie ein räuberisches Insekt. »Denk dran, Martine hat gesagt, daß wir nicht polizeilich gesucht werden. Fahr ganz normal.«
»Sie wundern sich wahrscheinlich, daß vier Kaffer in so ’nem großen Wagen sitzen«, knurrte ihr Vater. »Afrikaanderschweine.«
Das Polizeiauto ging hinter ihnen auf die Überholspur und beschleunigte dann allmählich, bis es auf einer Höhe mit ihnen war. Augen hinter verspiegelten Brillengläsern blickten sie mit der ruhigen Selbstsicherheit eines größeren und stärkeren Tieres an. Die Polizistin war schwarz.
»Fahr einfach weiter, Jeremiah«, flüsterte Renie. »Schau gar nicht hin.«
Das Polizeiauto fuhr fast eine Meile neben ihnen her, dann ging es vor sie und schoß die nächste Ausfahrt hinaus.
»Was hat ’ne schwarze Frau in einem von den Dingern zu suchen?«
»Sei still, Papa.«
Sie standen am äußersten Rand eines riesigen Parkplatzes vor einem Einkaufszentrum in Westville, als der Anruf kam.
Long Joseph schlief auf dem Rücksitz. Seine Füße ragten aus der offenen Tür hervor, und zwischen Hosenaufschlägen und Strümpfen bleckte eine gute Handbreit nackte Haut. Renie saß mit !Xabbu auf der Kühlerhaube, trommelte mit den Fingern und rauchte ihre x-te Zigarette an diesem noch jungen Tag, als es summte und sie blitzschnell hinuntersprang. Sie riß das Pad vom Autositz und sah, daß es Martines Nummer anzeigte.
»Ja? Irgendwas Neues?«
»Renie, du bringst mich ganz außer Atem. Ich hoffe, ja. Seid ihr noch in Durban?«
»In der Nähe.«
»Gut. Könntest du bitte wieder die Frequenz wechseln?«
Sie drückte einen Knopf, und Susan Van Bleecks Funktelefon ging auf einen anderen Kanal. Martine war bereits dort und wartete. Wieder war Renie vom Können der geheimnisvollen Frau beeindruckt.
»Ich bin ganz schwindlig und müde, Renie. Ich habe so viele Informationen durchgeschaut, daß ich, glaube ich, noch tagelang davon träumen werde. Aber ich habe vielleicht etwas gefunden, das uns weiterhelfen könnte.«
»Wirklich? Hast du eine Anlage aufgetan?«
»Ein Versteck auch, hoffe ich. Ich bin auf eine südafrikanische staatliche Versuchsstation gestoßen – ein militärisches Projekt –, die vor einigen Jahren wegen der schwierigen Haushaltslage geschlossen wurde. Das Projekt hieß ›Wespennest‹ und war ein frühes Experiment mit unbemannten Kampfflugzeugen. Es gibt darüber keine offiziellen Unterlagen, aber es hat existiert. Ich bin, tja, sagen wir, an Berichte aus erster Hand von ehemals dort
Weitere Kostenlose Bücher